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Frühere Europapolitikerinnen besorgt über "Kanzler Kickl"

Besorgt über einen möglichen FPÖ-Kanzler Herbert Kickl und die Entwicklung in der EU zeigen sich ehemalige Europapolitikerinnen. "Ich mache mir große Sorgen", sagte die Ex-Europastaatssekretärin und Chefverhandlerin des EU-Beitritts, Brigitte Ederer (SPÖ), Montagabend bei einer Diskussion in Wien. Eine Weiterentwicklung der EU sei nicht zu schaffen, "solange wir diese Bremsklötze haben", sagte die frühere EuGH-Richterin, EU-Abgeordnete und Justizministerin Maria Berger (SPÖ).

"Meine Sorge ist sehr, sehr groß", betonte auch die frühere Europaabgeordnete der Grünen, Monika Vana, bei einer Diskussion der Europäischen Bewegung Österreichs (EBÖ) anlässlich 30 Jahre EU-Mitgliedschaft. "Ich möchte Kickl nicht verharmlosen. Ich befürchte einen Rückschritt, weil es einen alarmierenden Rechtsruck gibt, nicht nur in Österreich." Zusammen mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, "der die gesamte Nachkriegsordnung infrage stellt und auf Verträge und Menschenrechte pfeift", ergebe dies eine "gefährliche Gemengelage".

EBÖ-Präsident Christoph Leit mahnte: "Wir brauchen eine neue, konstruktive und nicht-destruktive Europapolitik in Österreich." Er meine damit nicht nur die Freiheitlichen, so der frühere Wirtschaftskammerpräsident in Hinblick auf die breite Ablehnung des Mercosur-Freihandelsabkommens der EU mit südamerikanischen Staaten und die "Veto-Keule" zur Schengen-Erweiterung. Was Veto-Möglichkeiten eines künftigen Kanzlers Kickl in der EU betreffe, müssten diese in Österreich durch Parlamentsbeschlüsse, und nicht durch eine Präambel, abgesichert werden, forderte Leitl.

Eine Präambel zum Regierungsprogramm würde "politisch nichts helfen, sie wird nicht eingehalten", sagte auch Berger. Sie hoffe auf "die Trägheit der Institutionen". Wenn Kickl in den Europäischen Rat komme, werde er sehen, "dass er nicht die Welt auf den Kopf stellen kann". Berger: "Aber wir bräuchten mehr Europäische Union, was wir nicht schaffen werden." Sie verwies etwa auf die erforderliche Einstimmigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei Russland-Sanktionen und Ukraine-Hilfen.

Ederer sagte, sie habe die EU immer als Stabilitätsfaktor gegenüber radikalen Kräften gesehen, sei sich diesbezüglich aber erstmals in ihrem Leben nicht mehr so sicher. Wenn diese Kräfte in Deutschland und Frankreich die EU infrage stellten, "wenn diese beiden Länder kippen", wäre die Europäische Union zwar nicht abzuschreiben, aber deutlich geschwächt. Für die Entwicklung in Österreich machte Ederer auch die ÖVP mitverantwortlich. "Diese klare Haltung, die es in der ÖVP gegeben hat, sehe ich nicht mehr." Wenn die EU in 27 kleine Länder zerfalle, wäre dies auch ein Riesenproblem für den Wohlfahrtsstaat und unser Zusammenleben. Gleichwohl betonte Ederer, dass eine Mehrheit in Österreich nicht aus der EU austreten wolle.

"Die Fakten des Brexit müssten uns eigentlich von einem Austritt abhalten, aber wir leben nicht mehr in einer Welt der Fakten", gab Berger zu bedenken. Thomas Karabaczek, der die österreichischen Beitrittsverhandlungen und die ersten zehn Jahre in der EU als EU-Korrespondent der APA - Austria Presse Agentur in Brüssel verfolgte, sagte, das Beispiel Brexit zeige, dass komplexe Entscheidungen oft nicht rational, sondern emotional getroffen würden. Den häufig erhobenen Vorwurf, es werde zu wenig über die EU berichtet, wies Karabaczek anhand von Zahlen zurück. "Es gab 10.000 Meldungen nach dem EU-Beitritt, rund 25 am Tag", so der Journalist. "Information muss man sich auch holen wollen."

ribbon Zusammenfassung
  • Ehemalige Europapolitikerinnen wie Brigitte Ederer und Maria Berger äußerten bei einer Diskussion in Wien große Sorgen über die Möglichkeit eines FPÖ-Kanzlers Herbert Kickl, der die Weiterentwicklung der EU behindern könnte.
  • Monika Vana warnte vor einem alarmierenden Rechtsruck in Österreich und zog Parallelen zur Politik von Donald Trump, was zu einer gefährlichen Lage führen könnte.
  • Christoph Leitl forderte eine konstruktive Europapolitik und kritisierte die Veto-Politik in Österreich, während Thomas Karabaczek darauf hinwies, dass Entscheidungen oft emotional und nicht rational getroffen werden.