Frontex kündigt nach Misshandlungsberichten Asylsuchender Ermittlungen an
"Frontex geht jedem Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach", erklärte die in Warschau ansässige Agentur am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) erklärte, es sei "zutiefst besorgt" über die Medienberichte.
In einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" und des "Spiegel" sowie der internationalen Medien "Lighthouse Reports", Sky News, "Le Monde", "Domani", SRF und RFE/RL Bulgaria hatte es geheißen, an den EU-Außengrenzen würden Asylsuchende eingesperrt, häufig misshandelt. Später würden sie in der Regel in illegalen Pushbacks über die Grenze zurückgeschickt.
Recherche-Kooperation ermöglichte Enthüllung
Im Zuge der Recherche-Kooperation sei es erstmals gelungen, die Existenz solcher Orte nachzuweisen, darunter ein vergitterter, baufälliger Verschlag auf dem Gelände einer Station der bulgarischen Grenzpolizei nahe der Grenze zur Türkei, hieß es weiter. Die Migranten seien dort vor den Augen von Frontex-Beamten festgehalten worden.
Frontex erklärte nun, die Informationen seien an das Büro des Grundrechtsbeauftragten der Agentur weitergeleitet worden. Dieser werde "die Vorwürfe untersuchen", fügte Frontex an.
Fahrzeug von Frontex auf Videoaufnahme zu sehen
Die französische Zeitung "Le Monde" berichtete unter Berufung auf die gemeinsamen Recherchen mit anderen europäischen Medien, ihr lägen Videoaufnahmen des Verschlags vor, in dem zwischen Mitte Oktober und Ende November mindestens 34 Menschen festgehalten worden seien. Die vergitterte Konstruktion in der bulgarischen Stadt Sredez sei "von der Straße aus sichtbar". Laut "Le Monde" war auf den Videoaufnahmen ein Fahrzeug von Frontex in deren Nähe zu sehen.
Auf verdeckten Aufnahmen ist den beteiligten Medien zufolge zu sehen, wie mehrere Menschen von Abfall umgeben auf dem Boden ausharren müssen, bis sie dann in Autos gebracht und weggefahren werden.
Tagelang ohne Wasser oder Essen
Unter Berufung auf Aussagen von Geflüchteten heißt es, in dem Verschlag würden Asylsuchende teilweise mehrere Tage lang ohne Wasser und Essen eingesperrt. Im Anschluss bringe die Polizei die Menschen wieder zurück an die Grenze und zwinge sie, in die Türkei zurückzukehren.
Frontex erklärte gegenüber AFP, das Büro des Grundrechtsbeauftragten habe seit vergangenem Jahr zehn "ernsthafte Vorfälle" registriert, die sich an der bulgarisch-türkischen Grenze ereignet haben sollen. Einer davon beziehe sich auf das Gebiet von Sredez, stehe aber "in keinerlei Zusammenhang mit den Bedingungen am Grenzschutzposten".
UNHCR hat Bilder nicht gesehen
Das UNHCR erklärte gegenüber AFP, es habe die von den Medien erwähnten Bilder nicht gesehen und könne diese nicht kommentieren. UNHCR-Vertreter seien über die Vorwürfe aber "zutiefst beunruhigt". Das Flüchtlingshilfswerk rufe "alle betroffenen Staaten auf, allen Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen nachzugehen".
Innenministerium streitet Vorwürfe ab
Ungarn und Bulgarien werden bei der Grenzsicherung auch von österreichischen Polizeibeamten unterstützt. Aus dem Innenministerium in Wien hieß es am Freitag auf APA-Anfrage, "derartige Vorwürfe sind nicht bekannt und wurden österreichischen Polizist/innen im Auslandseinsatz auch nicht wahrgenommen und gemeldet". Selbiges teilte man PULS 24 mit, als wir das Innenministerium mit Vorwürfen, die bei einer PULS Recherche in Nordserbien aufkamen, konfrontierten. Ungarn stritt die Vorwürfe ab.
Auf die Frage, ob diese Berichte für Österreich ein weiteres Argument gegen die Aufnahme Bulgariens in den Schengen-Raum seien, hieß es: "Mit dem Schengen-Veto hat das überhaupt nichts zu tun."
Zusammenfassung
- Nach Medienberichten über Misshandlungen Asylsuchender an den Außengrenzen der Europäischen Union hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex Ermittlungen angekündigt.
- Frontex geht jedem Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach", erklärte die in Warschau ansässige Agentur.
- Eine Zusammenarbeit mehrerer internationaler Medien hat offengelegt, dass an EU-Außengrenzen Asylsuchende eingesperrt und häufig misshandelt werden würden.