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FDP-Generalsekretär tritt nach "D-Day"-Enthüllung zurück

Nach neuerlichen Enthüllungen über einen länger geplanten und gezielten Austritt aus der deutschen Ampel-Koalition ist die FDP-Spitze unter Druck geraten. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kündigte am Freitag seinen Rücktritt an. Er ziehe damit Konsequenzen aus der Affäre um das parteiinterne "D-Day-Papier", so der 48-Jährige. Die Nachwuchsorganisation Junge Liberale forderte kurz zuvor den Rücktritt Djir-Sarais, der das Amt seit April 2022 innehatte.

"Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte", sagte Djir-Sarai in seiner Erklärung. "Dafür entschuldige ich mich." Für einen solchen Vorgang sei der Generalsekretär verantwortlich - "daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der der FDP abzuwenden."

Der Vertraute von FDP-Chef Christian Lindner regiert mit seinem Schritt auf das sogenannte "D-Day"-Papier seiner Partei, das am Vortag bekanntgeworden war. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist zum Beispiel davon die Rede, dass der "ideale Zeitpunkt" für einen "avisierten Ausstieg" aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses - indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.

Djir-Sarai hatte noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die "D-Day"-Formulierung betont: "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden." Offenbar hatte er bei seiner Rücktrittserklärung diesen Widerspruch im Blick.

Unmittelbar vor der Erklärung Djir-Sarais hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. Sie erklärte via X, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei "einer liberalen Partei unwürdig". Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein - sondern auch die eigene Partei. "Das gilt auch für mich - auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird", so Brandmann.

Parteichef Christian Lindner hatte das Strategiepapier in Medienberichten noch verteidigt. "Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden", sagte er der "Rheinischen Post". Den Eindruck, dass die FDP ein falsches Spiel gespielt habe, wies Lindner zurück. "Nein, denn zu jedem Zeitpunkt ging und geht es uns um den Politikwechsel, den dieses Land braucht. Die Ampel konnte ihn nicht mehr liefern." Lindner sagte, Djir-Sarai habe von dem Papier offenbar nichts gewusst.

"Jenseits der Details will ich aber sagen, dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen", so Lindner. "Der Kanzler hat sich ja auch drei unterschiedliche Reden schreiben lassen." Die FDP habe sich monatelang mit allen Optionen beschäftigt, auch mit einem Bruch der Ampel. "Das wird niemanden angesichts des Streits und der Ablehnung dieser Regierung überraschen", sagte Lindner. "Ich hatte einen Herbst der Entscheidungen angekündigt. Mit offenem Ausgang."

Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff "D-Day" mehrfach auf - als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel.

Der englische Begriff "D-Day" kann mit "Tag X" übersetzt werden - oder auch "Tag der Entscheidung" meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der "D-Day" am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.

Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP. Er wurde 1976 in Teheran geboren, kam in jungen Jahren nach Deutschland, wo er Abitur machte und Betriebswirtschaftslehre studierte. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. Seit 2017 gehört er dem Parlament wieder an. Er war von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und ist nach wie vor Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Djir-Sarai vertritt den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I im Bundestag. Er ist auch Mitglied im Landesvorstand der FDP Nordrhein-Westfalen.

Kurz nach Generalsekretär Djir-Sarai erklärte auch FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann seinen Rücktritt. "Ich tue dies, weil ich eine personelle Neuaufstellung der Partei im Hans-Dietrich-Genscher-Haus ermöglichen möchte." Intern stieß das Vorgehen der Parteiführung auf Kritik. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen sagte dem Portal T-Online: "Um es klar zu sagen: Wir sind aus dieser Koalition ausgetreten, weil sie unserem Land nicht gutgetan hat. Doch unser Umgang mit dieser Entscheidung hat dieses Ziel diskreditiert."

Mit Blick auf die vorgezogene Wahl appellierte Jensen an ihre Partei: "Wir haben nur noch wenige Wochen Zeit, um Vertrauen glaubhaft zurückzugewinnen und für einen grundlegenden politischen Richtungswechsel zu werben."

Der Deutsche Bundestag soll am 16. Dezember über Scholz' Vertrauensfrage abstimmen. Die Neuwahl ist für den 23. Februar vorgesehen. In Umfragen kratzen die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde. Ihr Wiedereinzug in den Bundestag ist nicht gesichert.

ribbon Zusammenfassung
  • Bijan Djir-Sarai, der seit April 2022 Generalsekretär der FDP war, trat nach Enthüllungen über ein 'D-Day-Papier' zurück.
  • Das Dokument, das einen Austritt der FDP aus der Ampel-Koalition plante, sorgte für Kritik wegen des Begriffs 'D-Day'.
  • Parteichef Christian Lindner verteidigte das Papier als Entwurf und betonte, dass Djir-Sarai nichts davon wusste.
  • Die Junge Liberale forderten den Rücktritt Djir-Sarais, während die FDP in Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt.
  • Die Neuwahl ist für den 23. Februar vorgesehen, und der Bundestag stimmt am 16. Dezember über die Vertrauensfrage von Scholz ab.