APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

Experten kritisieren Nehammers Corona-Schuldzuweisung

Kanzler Nehammer rief am Mittwoch in einer Rede zur Versöhnung nach der polarisierenden Corona-Pandemie auf. Die Entscheidungen der Politik müssten aufgearbeitet werden. Gleichzeitig schob Nehammer alle Verantwortung auf die Experten, die Regierung sei "expertenhörig" gewesen. Das verärgert viele Gesundheitsexperten.

Bundeskanzler Karl Nehammer verkündete am Mittwoch, dass es an der Zeit sei, die Corona-Pandemie aufzuarbeiten. Er meinte, die Regierung sei "expertenhörig" gewesen und nun sollten diese Experten ihre Entscheidung erklären.

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Dass der Kanzler sämtliche Verantwortung für politische Entscheidungen auf die Experten schiebt, stößt vielen sauer auf. Arschang Valipour, Lungenfacharzt und Leiter der COVID-Station der Klinik Floridsdorf, etwa schreibt auf Twitter, dass ihm gegenüber "keiner 'hörig'" gewesein sei. "Bin vermutlich kein Experte", meint er sarkastisch. Er sei der Ansicht, dass man darüber diskutieren sollte "welche Rolle Expert*innen in einer Gesundheitskrise haben (sollen). Meinem Verständnis nach eine beratende und nicht entscheidende".

Nehammers Formulierung lässt Statistiker Erich Neuwirth, Professor an der Uni Wien, "verwundert zurück". Er ist überzeugt, "Politiker sollten a) niemandem hörig sein b) vor Entscheidungen, die sie treffen, von den Experten für sie verständliche Erklärungen einfordern und c) nicht erst im Nachhinein für die Entscheidungen, die sie - und nicht die Experten - getroffen haben, Erklärungen von den Experten verlangen".

Ulrich Elling, Molekularbiologe am Institut für Molekulare Biotechnologie, gab Neuwirth in seiner Kritik recht. Er bezeichnet Nehammers Sager als "skandalös", "der vom Misverständnis der Rolle der Experten zeugt". Er setzt fort und sagt explizit, dass "Politiker - und nur diese - entscheiden". Experten hätten nicht die Aufgabe, "viele Gesellschaftsaspekte integrieren".

Doch nicht nur die Fokussierung auf die Expertenmeinungen hat die Gemüter erregt. Jakob-Moritz Eberl vom Austrian Corona Panel Project, zeigt auf, dass die entstandenen Gräben nicht einfach zugeschüttet werden können, da sich diese auf "alle größeren gesellschaftlichen Konflikte ausgeweitet haben (russischer Angriffskrieg, Klimakrise…)". 

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Karl Nehammer verkündete am Mittwoch, dass es an der Zeit sei, die Corona-Pandemie aufzuarbeiten.
  • Er meinte, die Regierung sei "expertenhörig" gewesen und nun sollten diese Experten ihre Entscheidung erklären.
  • Dass es jetzt zu solch einem an den Pranger stellen kommt, stößt einigen Experten sauer auf.