Experten erwarten Absturz der ÖVP bei der NÖ-Wahl
Abzuwarten bleibt, wie deutlich die Niederlage für die Volkspartei ausfallen wird. "Fällt sie unter 40 Prozent, ist Feuer am Dach - auch in der Bundespartei", so OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Wer hinter der ÖVP auf Platz zwei landen wird, stehe noch nicht fest.
Laut Umfragen keine Absolute bei NÖ-Wahl
Alle Umfragen sehen die derzeit absolut regierende niederösterreichische Volkspartei bei der kommenden Landtagswahl deutlich unter den 49,6 Prozent (und damit 29 der 56 Mandate), die sie bei der Wahl 2018 erreichte. Das gute Ergebnis damals sei aber nicht nur der Verdienst der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gewesen, sondern vom damaligen Höhenflug des Sebastian Kurz getragen worden, analysiert Politikberater Hofer gegenüber der APA.
Krise durch Korruptionsskandale
Derzeit befinde sich die niederösterreichische Volkspartei in einer deutlich schwierigeren Situation. Die Bundespartei liegt - nach all den Veröffentlichungen rund um die Korruptionsermittlungen gegen Kurz und sein Umfeld - in Umfragen mittlerweile nur noch auf Platz drei, das färbe auch auf die größte Landespartei ab, sagt Meinungsforscher Peter Hajek gegenüber der APA. Im dritten Jahr der Pandemie und dem ersten der Teuerung kommt viel Gegenwind aus dem Bund. Dazu komme die Affäre um den Landesdirektor des ORF Niederösterreich, die den Wahlkampf der Volkspartei "nicht gerade beflügelt", so Hajek.
Diese werde aber "Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um einen Wahlerfolg einzufahren. Und ein Wahlerfolg ist alles über 40 Prozent", so Hajek. Dass der "Komplettabsturz" vermieden werden könne, sei der ÖVP aufgrund ihres hohen Organisationsgrades, des erprobten Wahlkampfteams und des jahrelangen Machtmonopols zuzutrauen. "Neben der Wiener SPÖ ist die ÖVP Niederösterreich die bestorganisierte Landespartei in Österreich", so Hofer.
ÖVP setzt auf Mobilisierung
Das wichtigste Schlagwort für die Volkspartei werde dabei "Mobilisierung" lauten, sagte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer im APA-Gespräch. Gelingt es viele Menschen zur Urne zu bewegen, könne auch die Wahlniederlage in Grenzen gehalten werden.
Bild: Der Wahlkampf hat für die ÖVP in Niederösterreich bereits begonnen, es wird bereits plakatiert.
Voraussichtliches Ende der Absoluten für ÖVP
Was alle Herausforderer-Parteien verbinde ist, dass sie den laut Bachmayer "aus der Zeit gefallenen Anachronismus einer Absolut-Regierung" aufbrechen wollen. Dass das gelingen werde, sind sich die drei Experten einig. Das wahre Ziel der ÖVP, auch wenn man es nach außen nicht zugebe, müsse eigentlich sein, die Mehrheit in der Landesregierung, also den fünften Sitz zu halten, betonte Hofer.
Ebenfalls eine die SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS aber auch das Fehlen eines starken Kandidaten oder Kandidatin an der Spitze. "Mikl-Leitner bringt das mit, was wir 'Street Credibility' nennen. Sie ist bodenständig und vermittelt den Wählern das Gefühl, eine von ihnen zu sein", sagte Hajek.
Umbenennung von Landesliste
Die leichte Abgrenzung von der Bundespartei, etwa durch das Antreten unter "LH Johanna Mikl-Leitner - VP Niederösterreich" erinnert Hofer an das Jahr 2013. "Auch das war ein Krisenjahr. Der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll schreckte nicht davor zurück, Stimmung gegen die Bundespartei unter Michael Spindelegger zu machen. Auch Mikl-Leitner ist um Abgrenzung bemüht, mit öffentlicher Kritik hält sie sich bisher aber noch zurück."
Alle drei Experten erwarten am 29. Jänner denselben Profiteur: die FPÖ. Für die Freiheitlichen ist Niederösterreich eigentlich ein schwieriges Terrain, der derzeitige Bundestrend dürfte sich aber auch im flächenmäßig größten Bundesland niederschlagen. Migration und Asyl sind als Themen wieder hoch im Politik-Kurs, dazu kommt mit der starken Teuerung eine allgemeine Unzufriedenheit. "Wo die Menschen unzufrieden sind, profitiert meistens die FPÖ", sagte Hofer, der ihr die Chance zurechnet, das derzeit beste freiheitliche Ergebnis in Niederösterreich (16 Prozent im Jahr 1998) zu überbieten.
Rennen um Platz Zwei offen
Möglich sind laut Peter Hajek sogar über 20 Prozent, und auch Platz Zwei vor der SPÖ sei "nicht auszuschließen". Spitzenkandidat Udo Landbauer sei zwar kein klassischer "Vote-Getter", dafür stehe ihm im Gegensatz zur letzten Landtagswahl aber die "Liederbuch-Affäre" nicht mehr im Weg.
Der von Franz Schnabl geführten SPÖ trauen die drei Experten hingegen keine großen Sprünge zu. "Alles unter einem Prozentpunkt Plus wäre eine Wahlschlappe, und dann würde es auch bei der SPÖ auf Bundesebene scheppern", so Bachmayr, der momentan davon ausgeht, dass die SPÖ nach der Wahl nur noch knapp vor der FPÖ liegen wird.
Den Grünen unter Helga Krismer und den NEOS mit Spitzenkandidatin Indra Collini falle es in einem Flächenbundesland wie Niederösterreich traditionell schwer, so Hofer. Beide würden auf den Wiener Speckgürtel setzen, die Grünen versuchen ihre "Delle" von 6,4 Prozent bei der letzten Wahl auszubügeln. Große Erfolge traut er aber weder grün noch pink zu.
Auch wenn es sich bei dieser Wahl laut Bachmayer um eine "Testwahl mit bundesweitem Charakter, von der man auf den gesamtösterreichischen Trend schließen kann" handelt, erwartet keiner der Experten personelle Umwälzungen. "Die Bundespartei wird sagen, das war eine Landtagswahl, die Landespartei wird sagen, das schlechte Abschneiden ist der bundespolitischen Lage und den multiplen Krisen geschuldet", so Hajek.
Mehr dazu:
Zusammenfassung
- Außer Frage steht für die Meinungsforscher und Politikberater Peter Hajek und Thomas Hofer im APA-Interview, dass die ÖVP bei der Landtagswahl in Niederösterreich am 29. Jänner die "Absolute" im Landtag verlieren wird.
- Abzuwarten bleibt, wie deutlich die Niederlage für die Volkspartei ausfallen wird.
- "Fällt sie unter 40 Prozent, ist Feuer am Dach - auch in der Bundespartei", so OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.