Zu wenig Klimaschutz: Schweiz verurteilt
Es war das erste Mal, dass das Gericht Urteile zum Klimawandel fällte. Konkret ging es um drei separate Klagen.
In der ersten der drei Klagen wurde die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes verurteilt.
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Eingereicht hatten die Schweizer Klimaseniorinnen die Klage, ein Verein von mehr als 2.000 Frauen im Alter von durchschnittlich 73 Jahren. Sie beklagten "Versäumnisse der Schweizer Behörden" beim Klimaschutz, die "ihren Gesundheitszustand ernsthaft beeinträchtigen" würden.
Die Richter:innen gaben den Seniorinnen recht, dass die Schweizer Regierung durch das Verfehlen früher Emissionsreduktionsziele Menschenrechte verletzt hatte. Die Schweizer Behörden hätten es versäumt, rechtzeitig und angemessen auf den Klimawandel zu reagieren, heißt es in einer Aussendung des EGMR. Zudem hätten die Klägerinnen nicht ausreichend die Möglichkeit gehabt, vor nationalen Gerichten zu klagen.
Schweiz ist überrascht
Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd äußerte sich in einer ersten Reaktion überrascht von dem EGMR-Urteil. "Mich interessiert die Begründung", sagte Amherd bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien.
Der Schweiz seien nämlich Nachhaltigkeit, Biodiversität und das Nettonullziel "sehr wichtig". Daher sei sie gespannt, die Details des Urteils zu lesen, und werde danach eine Stellungnahme abgeben, sagte die christdemokratische Politikerin auf eine Frage der APA.
Weitere Klagen zurückgewiesen
Die beiden anderen Klagen wurden vom Gericht in Straßburg hingegen zurückgewiesen. Die Richter:innen erklärten die Klage von sechs portugiesischen Jugendlichen für unzulässig. Weil sie als junge Menschen in ihrem Leben besonders von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen seien, hatten sie neben ihrem eigenen Land gleich noch 32 weitere Staaten wegen deren mangelhaften Klimapolitik geklagt.
Hitzewellen, Waldbrände und Rauch von Waldbränden würden "ihr Leben, ihr Wohlbefinden, ihre psychische Gesundheit" beeinträchtigten, geht es aus der Presseaussendung hervor. Das Gericht urteilte, dass sie nur den portugiesischen Staat klagen könnten. In Portugal hätten sie aber noch nicht alle juristischen Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stünden, ausgeschöpft.
Video: Waldbrände in Portugal
Die Klimaklage eines ehemaligen Bürgermeisters eines französischen Küstenortes und nunmehrigen EU-Abgeordneten der Grünen wies das Gericht in Straßburg am Dienstag ebenso zurück. Er hatte den französischen Staat geklagt, weil dieser durch eine unzureichende Klimapolitik sein "Recht auf Leben" und "Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens" verletzt habe.
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Da der Kläger aber nicht mehr in der besagten Stadt und aktuell auch nicht in Frankreich lebe, könne er nicht den Opferstatus (rechtliche Bedingung für Individualklagen vor dem EGMR) erlangen.
EGMR verpflichtet zu "gesunder Umwelt"
Der EGMR wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 sicherzustellen. Diese enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen zum Umweltschutz.
Dennoch verpflichtete der Gerichtshof in früheren Fällen, bei denen es um die Industrie und die Müllwirtschaft ging, Staaten zur Erhaltung einer "gesunden Umwelt". Dabei beriefen sich die Richter auf Artikel 8 der Konvention - dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
Video: Klimabilanz März 2024
Zusammenfassung
- Das Europäische Menschenrechtsgericht (EGMR) hat in einem wegweisenden Urteil die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes verurteilt.
- Die Richterinnen und Richter gaben einer Gruppe Schweizer Seniorinnen recht, die ihrer Regierung vorwerfen, nicht genug gegen den Klimawandel zu tun.
- Zwei weitere Klagen aus Frankreich und Portugal wies das Gericht als "unzulässig" ab.