Toter bekommt Wahlkarte: Wer daran Schuld ist
Die Witwe eines Österreichers staunte Anfang Juni, als sie in ihrem Briefkasten in der Nähe der brasilianischen Millionen-Metropole São Paulo blickte. Dort lag ein Stimmzettel für die EU-Wahl - adressiert an ihren 2021 verstorbenen Mann.
Wie kann es passieren, dass ein Toter die Möglichkeit bekommt, zu wählen? Noch dazu, ohne eine Wahlkarte überhaupt beantragt zu haben? Und welche Folgen hat das? PULS 24 hat bei den Behörden nachgefragt.
Wahlkarte kam per "Abo"
Auf den ersten Blick ist es schon einmal verwunderlich, dass ihm automatisch eine Wahlkarte zugesendet wurde. Für Auslandsösterreicher ist das allerdings durchaus möglich. Sie können für die Dauer von zehn Jahren ein sogenanntes "Wahlkarten-Abo" beantragen.
Wer sich anmeldet, wird in die Wählerevidenz eingetragen und erhält dann automatisch die jeweils aktuelle Wahlkarte.
Sollte die Person dann in diesem Zeitraum versterben, müsste die Gemeinde, in der man zuletzt in Österreich lebte, tätig werden.
"Im konkreten Fall war die Gemeinde offensichtlich in Unkenntnis vom Ableben des Wählers, sodass automatisch vor der Europawahl eine Wahlkarte an diese Person nach Brasilien geschickt wurde", erklärte man sich im Innenministerium (BMI) auf PULS 24 Nachfrage die Situation.
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Unterschiedliche Register und Bürokratie
Dabei wurde K. nach seinem Tod in Brasilien in Österreich beerdigt - in der Gemeinde, in dessen Wählerevidenz er nun auch für die EU-Wahl eingetragen war. Der Todesfall war also in der Gemeinde bekannt. Dort dürfte es aber zu Problemen mit den unterschiedlichen Listen und der Verknüpfung gekommen sein.
Die Wählerevidenz wird automatisch mit dem Zentralen Melderegister (ZMR) abgeglichen. Dort sind Auslandsösterreicher jedoch nicht vermerkt. Sie können sich im Ergänzungsregister natürliche Personen (ERnP) eintragen lassen, etwa um auch von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
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Das muss von den Gemeinden allerdings händisch gepflegt werden. "Eventuelle Wahlberechtigungen in einer Gemeinde sind bei der Eintragung eines Sterbefalles nicht ersichtlich und werden daher auch nicht automatisch geändert", hieß es von der Gemeinde gegenüber der Angehörigen.
Man entschuldigte sich für den Vorfall und versprach, sich hier für eine bessere IT-Vernetzung einzusetzen.
"Sehr seltene Einzelfälle"
Wie oft schon länger Verstorbene Wahlkarten zugesandt bekommen, konnten die Behörden nicht beantworten. "Es existieren hierzu keine Statistiken, es kann sich jedoch lediglich um sehr seltene Einzelfälle handeln", teilte das BMI mit.
Auch von der als Bezirkswahlbehörde zuständigen Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hieß es gegenüber PULS 24, man gehe davon aus, "dass es schon sehr seltene Einzelfälle sind".
Welche Folgen hat das für die Wahl?
Hätte die Wahlkarte einfach von jemand anderem verwendet werden können? "Theoretisch nicht ausgeschlossen", so das BMI. "Es würde sich hierbei aber jedenfalls um ein gerichtlich strafbares Delikt handeln", hielt es aber fest.
Auch bei der BH Feldkirch meinte man, dass so etwas "theoretisch möglich" sei - hier würde man aber die Wahlkarten prüfen. So würde etwa "die Unterschrift mit dem Namen verglichen".
Sorgen um das Wahlergebnis macht man sich im Ministerium jedenfalls nicht. "Einzelfälle hätten zudem auch arithmetisch in aller Regel keinerlei Einfluss", teilte man gegenüber PULS 24 mit.
Und auch die Post hätte einen Missbrauch der Wahlkarte ohnehin verhindert. Sie landete erst am 7. Juni im Briefkasten der Witwe von K. - also deutlich zu spät, um es rechtzeitig wieder nach Österreich zu schaffen.
Zusammenfassung
- Für die EU-Wahl sind in Österreich mehr als 950.000 Wahlkarten ausgestellt worden.
- Überrascht stellte die Witwe eines 2021 verstorbenen Auslandsösterreichers jedoch fest, dass auch in ihrem Postkasten eine Wahlkarte landete.
- Die Behörden sprechen von einem "seltenen Einzelfall".