EU-Außenminister beraten über Feuerpause in Nahost
Man dürfe Israel nicht auf eine gleiche Ebene mit der radikal-islamistischen Hamas stellen, so Schallenberg. "Ja, natürlich würde jeder wünschen, dass die Gewalt ein Ende hat. Israel hat aber das Recht zur Selbstverteidigung." Das israelische Handeln unterliege jedoch dem Völkerrecht. Schallenberg sieht hier einen klaren Unterschied: "Die Israelis rufen an, bevor sie ein Gebäude bombardieren. Sie haben öffentlich aufgerufen zur Evakuierung von Nord-Gaza. Das Ansinnen ist ganz klar, zivile Opfer zu vermeiden. Bei der Hamas ist das anders, sie suchen zivile Opfer."
Zwei Themen sind für Schallenberg beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister von zentraler Bedeutung: Es müsse verhindert werden, dass der Konflikt sich ausweitet. Zudem müssten alle Geiseln freigelassen werden, die die Hamas bei ihrem Angriff vor gut zwei Wochen genommen hatte. Hierzu müsse man auch mit jenen Staaten reden, die noch Kontakte zur Hamas haben und auf diese einwirken.
Auch für EU-Außenbeauftragten Borrell ist ein Freilassen der Geiseln ein wichtiger Schritt hin zu einer Deeskalation. Das Wichtigste sei aber, dass möglichst schnell humanitäre Hilfe im Gaza-Streifen ankomme. In dem Kontext würden die Außenminister heute auch über eine humanitäre Waffenruhe diskutieren. Diese wurde auch von mehreren EU-Staaten wie Frankreich, Spanien, Irland und Belgien sowie von UNO-Generalsekretär António Guterres gefordert, damit Hilfen unter sicheren Bedingungen geliefert werden können. Die Hilfslieferungen, die Gaza in den letzten Tagen über Ägypten erreicht haben, würden nicht reichen. Es brauche vor allem Kraftstoff, um die Energieversorgung und die Wasserversorgung über Entsalzungsanlagen zu gewährleisten.
Der Friedensprozess im Nahostkonflikt sei zu lange vergessen worden, nun müsse weiter daran gearbeitet werden, sagte der EU-Chefdiplomat. Ähnlich äußerte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). "Israelis und Palästinenser können auf Dauer nur in Frieden und Sicherheit leben (...) mit einer Zwei-Staaten-Lösung". Für eine humanitäre Waffenruhe sprach sich aber auch die deutsche Politikerin nicht aus. Man könne die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen nicht eindämmen, solange der Terrorismus der Hamas weitergehe. Deshalb sei deren Bekämpfung wichtig, so Baerbock, die von einer "Quadratur des Kreises" sprach, der sich die EU aber stellen müsse.
Parallel zu den Ministerberatungen wurde der Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag bekannt, in dem ein Aufruf für eine Feuerpause enthalten ist. "Der Europäische Rat unterstützt den Ruf von UNO-Generalsekretär António Guterres nach einer humanitären Pause, um Hilfsgüter sicher liefern zu können, und dass diese Hilfe die Bedürftigen erreicht", heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in dem Text.
Im Vorfeld des Ratstreffens hatten Diplomaten von zunehmenden Spannungen und erheblichen Meinungsunterschieden hinsichtlich des palästinensisch-israelischen Konflikts. Auf der einen Seite stehen demnach Staaten wie Deutschland oder Ungarn, die den derzeitigen Gegenschlag der israelischen Armee grundsätzlich als legitime Selbstverteidigung ansehen. Auf der anderen Seite gibt es hingegen Länder wie Spanien, Irland und Belgien, die Israels Vorgehen in dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen kritisch sehen und angesichts der vielen zivilen Opfer eine humanitäre Waffenruhe fordern.
Für Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat die EU dann nur geringen Einfluss auf das Geschehen im Nahost-Konflikt. Die USA seien sowohl für die Israelis als auch für die Palästinenser der relevante Ansprechpartner. Die Europäische Union habe es in den vergangenen Jahren versäumt, sich im dem Konflikt mit einer klaren Meinung zu positionieren.
Neben der Lage im Nahen Osten werden die EU-Außenminister am Montag auch über weitere Militärhilfen für die Ukraine und den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien beraten.
Zusammenfassung
- Die EU-Außenministerinnen und -minister haben am Montag um eine gemeinsame Linie im Nahost-Konflikt gerungen.
- Im Zentrum steht dabei die Frage, ob eine humanitäre Feuerpause gefordert werden soll.
- Während EU-Außenbeauftragter Josep Borrell zum Auftakt des Treffens in Luxemburg für eine Feuerpause warb, wollte sich der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) dem nicht direkt anschließen.