Nehammers Wahlzuckerl-Argument: So wenig hält Ludwig davon
Seit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt hat, ist man in der Bundesregierung nicht gut aufeinander zu sprechen. Die Türkisen waren nämlich gegen das Gesetz.
Bei Gewesslers Alleingang witterten sie "Amtsmissbrauch" und brachten eine Strafanzeige gegen die Klimaschutzministerin ein. Die Koalition steckt also in einer handfesten Krise, aber ans verfrühte Aufhören denkt man trotzdem nicht.
-
Mehr lesen: ÖVP-Landesräte boykottieren Gewessler-Treffen
Für Wiens Bürgermeister Michael Ludwig eine schwer nachvollziehbare Entscheidung, es brauche eine "handlungsfähige Bundesregierung". Dass "in einem solchen Klima noch viele Projekte umsetzbar sind", könne er sich nicht vorstellen, sagt Ludwig im "Aktuell: Im Fokus"-Interview.
Das sei bedauerlich, denn in den Bereichen Wirtschaft oder Gesundheit seien Maßnahmen dringend notwendig.
Video: ÖVP zeigt Gewessler an
Teures Koalitionsende?
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist aber strikt gegen eine Auflösung der Koalition, denn die würde ein freies Spiel der Kräfte im Parlament nach sich ziehen. Gesetze würden dann im koalitionsfreien Raum beschlossen werden, und das bedeute laut Nehammer "Milliarden an Wahlzuckerln", für die die Österreicher:innen zahlen müssten.
Bei den "Wahlzuckerln" handelt es sich um Entlastungspakete, die gerne kurz vor Nationalratswahlen beschlossen werden, um bei den Wähler:innen zu punkten. Allein 2019 wurden mehr als 30 Gesetzesbeschlüsse noch vor der Wahl gefasst.
"Eigenartige Kommentierung"
Das kann tatsächlich oft teuer werden, wie eine Rechnung des Fiskalrates zeigt. In den letzten 15 Jahren beläuft sich der Betrag insgesamt auf etwa 4,1 Milliarden Euro, denn meist werden nicht nur einmalige, sondern dauerhafte Entlastungen beschlossen.
In Hinblick auf Nehammers Begründung gegen ein Koalitionsende meint Ludwig: "Ich finde es eine eigenartige Kommentierung, wenn man bedenkt, wie viel Geld ausgegeben worden ist. Das sagt auch der Vorsitzende des Fiskalrats Badelt, der darauf hinweist, dass wir in den nächsten Jahren große budgetäre Probleme haben werden."
-
Mehr lesen: Fiskalrat warnt erneut vor hohem Budgetdefizit
Tatsächlich erklärte Fiskalratspräsident Christoph Badelt am Donnerstag, dass das Budgetdefizit jedes Jahr mehr als drei Prozent betragen werde. Das Defizit ist die Differenz zwischen Steuereinnahmen und staatlichen Ausgaben, in der EU darf es nicht über drei Prozent liegen.
Noch drohe Österreich zwar kein Defizitverfahren, doch man sei "als Nächstes dran", betonte Badelt.
Das ganze Interview mit Ludwig gibt es am 22. Juni um 19.30 Uhr bei "Im Fokus" auf ATV und auf JOYN zu sehen.
Zusammenfassung
- Der Regierungssegen hängt gewaltig schief, seit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt hat.
- Die ÖVP will klagen, nicht aber die Koalition auflösen.
- Denn das würde für die Österreicher:innen teuer werden, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
- "Eigenartig" findet diese Aussagen der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - budgetäre Probleme werde man in den nächsten Jahren sowieso haben.