Deutschsprachige Innenminister ringen um Migrationslinie
"Wir haben das fast Unmögliche geschafft, dass wir über sechs Millionen Menschen aus der Ukraine anständig, ohne Streit, zügig, sehr schnell in Europa aufgenommen haben. Das ehrt uns", erklärte Asselborn. Es mache ihn aber gleichzeitig "traurig", dass Europa seit 2015 nicht imstande sei, eine einheitliche Migrationspolitik umzusetzen. Asselborn forderte, dass sich noch mehr Länder bereit erklären sollten, Menschen, die im Mittelmeer gerettet werden, aufzunehmen. "Es geht um Menschen, die gerettet werden, die ein Recht auf Leben haben."
Die Situation heute sei mit 2015 "nicht vergleichbar", entgegnete Karner. Er erwiderte zudem, dass auch er nicht wolle, dass Menschen im Meer ertrinken. Gleichzeitig wolle Österreich aber auch nicht, dass sich Menschen aus "wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen. Das überfordert unser Asylsystem." Österreich habe eine Steigerung von 130 Prozent bei den Asylanträgen verzeichnet, auch aus Ländern, wo es keine Bleibewahrscheinlichkeit gebe. Schlepperbanden nutzten die Hilfe für die Ukraine-Flüchtlinge jetzt aus, um Menschen aus anderen Staaten wie Indien, Pakistan, Tunesien oder der Türkei den Eindruck zu vermitteln, in Europa sei jetzt jeder willkommen und könne sofort arbeiten. "Wir müssen dem Schleppermarketing etwas dagegen halten."
Die Schweizer Innenministerin Karin Keller-Sutter lobte den Ansatz der französischen EU-Ratspräsidentschaft, im Bereich Migrationen jene Bereiche voranzutreiben, bei denen es einen Konsens gebe wie etwa die Fingerabdrücke-Datenbank Eurodac. Wichtig sei auch die Registrierungsplattform für temporär Schutzbedürftige. Es sei nun nötig, die Solidarität in der Bevölkerung mit den Ukraine-Flüchtlingen aufrechtzuerhalten. Das funktioniere nur, wenn "die Behörden ihre Arbeit gut machen", Missbrauch verhindern und die Menschen bestmöglich integriert werden. Es müsse sichergestellt werden, dass Menschen sich nicht doppelt registrieren oder keine Sozialhilfe beziehen, obwohl sie schon abgereist seien.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser erklärte, dass das Treffen in Königstein der Vorbereitung auf das Treffen der EU-Innenminister am 10. Juni in Luxemburg diene. Sie ging auch auf eine Protestaktion am Rande des Treffens gegen die Pläne der EU-Kommission zur einfacheren Verfolgung von Sexualstraftätern im Internet ein. Gegner des EU-Vorschlags befürchten eine Massenüberwachung von Messengerdiensten und Online-Kommunikation. Faeser zeigte sich zuversichtlich, dass es "einen guten Weg geben" könne, sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen und gleichzeitig verschlüsselte Kommunikation zu schützen.
Karner sprach zudem die notwendige Zusammenarbeit im Bereich Cyberkriminalität an. Hier haben laut ihm die österreichischen Behörden eine Steigerung von 30 Prozent verzeichnet, es sei der meistwachsende Kriminalitätsbereich. Außerdem berichtete er von seinem Besuch des jüdischen Museums in Frankfurt, das ihn sehr beeindruckt habe und ein "einzigartiges Vermittlungskonzept" habe. Er verwies auf die geplante Gedenkstätte im ehemaligen KZ Gusen.
Zusammenfassung
- Bei einem Treffen der deutschsprachigen Innenminister in Königstein in Deutschland sind am Dienstag kontroversielle Sichtweisen in Bezug auf Migration klar zutage getreten.
- Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte die Unterscheidung von Nachbarschaftshilfe für Ukraine-Vertriebene und Wirtschaftsmigration.
- Karner sprach zudem die notwendige Zusammenarbeit im Bereich Cyberkriminalität an.