Corona-Maßnahmen: Rauch und sein Verfassungs-Schmäh
Im PULS 24 Talk "Milborn" sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch einmal mehr, er könne Anti-Corona-Maßnahmen wie eine Maskenpflicht in Innenräumen derzeit nicht verhängen, weil die Bundesverfassung ihm Grenzen setze. Der Wiener Rechtsprofessor Nikolaus Forgó sagt dazu auf Anfrage von PULS 24, die Rauch-Begründung sei verkürzt und letztlich falsch.
Denn das von Rauch gebrachte Argument, eine Maskenpflicht sei nur bei einer drohenden "Überlastung" der Spitäler möglich, "steht so nicht in der Verfassung. Das ist insoweit 'Fake Law'", sagt Forgó. Mit dem englischen Begriff "Fake Law" bezeichnet Forgó analog zu "Fake News" (absichtliche Falschmeldungen), dass ein Experte oder Politiker einen Rechtszustand beschreibt, der nicht der Rechtslage entspricht.
Rauchs Begründung im Wortlaut
Was hat Gesundheitsminister Rauch im Gespräch mit PULS 24 Moderatorin Corinna Milborn genau gesagt? Von der ebenfalls eingeladenen Journalistin Susanne Scholl mit der Forderung nach einer Maskenpflicht bei Indoor-Veranstaltungen wie Konzerten konfrontiert, sagte Rauch, er habe sich "auf dem Boden der Verfassung zu bewegen. Die Verfassung gebietet, ein Eingriff in die persönliche Freiheit des Menschen sei nur dann gerechtfertigt, wenn wir Gefahr laufen, das Spitalssystem zu überlasten. Das ist mein Rahmen, den ich habe." Forgó hatte eine ähnliche Aussage Rauchs aus einem "ZiB2"-Interview bereits im Oktober in einem Gastkommentar im "Standard" analysiert.
"Totale Verkürzung" von Rauch
Der Jurist bezeichnet diese neuerliche Begründung dafür, keine Corona-Maßnahmen wie etwa eine Maskenpflicht, zu verhängen, als "eine totale Verkürzung". Wobei Forgó durchaus einräumt, dass Corona-Maßnahmen "natürlich Grundrechtseingriffe mit sich bringen können".
Eine Maßnahme müsse daher erstens gesetzlich gedeckt, zweitens geeignet und drittens vor allem verhältnismäßig sein. Die Maßnahmen-Palette reicht, wie bekannt, von gravierenden Eingriffen wie einem Lockdown bis zu weniger einschränkenden wie dem Maskentragen. "Es gibt auch Maßnahmen, die überhaupt keinen Grundrechtseingriff darstellen, zum Beispiel eine Verordnung des Gesundheitsministers, in öffentlichen Gebäuden den CO2-Anteil und die Luftqualität zu messen." Eine Verordnung, die es bisher nicht gibt.
Rechtlicher Spielraum vorhanden
Forgó erinnert daran, dass weder in der Verfassung noch im Covid-19-Maßnahmengesetz oder im Epidemiegesetz die drohende "Überlastung des Spitalssystems" als Voraussetzung für Maßnahmen festgeschrieben sei. In Paragraf 1 Punkt 1 des Covid-19-Maßnahmengesetzes zielen die Regeln vielmehr wörtlich auf die "Verhinderung der Verbreitung von COVID-19" (und nicht auf die "Verhinderung der Überlastung des Spitalssystems") ab.
Die österreichischen Gesetze geben Rauch also durchaus einigen Spielraum zum Handeln. "Man kann durchaus streiten, ob in der jetzigen Situation Maßnahmen wie Maskentragen und wöchentliche Tests oder Ähnliches verhältnismäßig sind", analysiert Forgó. "Viele Experten, unter anderem die Corona-Kommission, sagen, dass viele Maßnahmen jetzt vernünftig wären, etwa eine Maskenpflicht zu verhängen oder andere Maßnahmen zu treffen."
Gegenbeispiel Wien
Forgó, Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Uni Wien, gibt noch ein praktisches Beispiel dafür, warum die von Rauch behauptete Unmöglichkeit einer Maskenpflicht in Innenräumen nicht so stimmt. "Wie man in Wien sieht, ist es ja offensichtlich möglich, eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln einzuführen. Es wurde bisher von niemandem erfolgreich beeinsprucht, dass diese verfassungswidrig sei."
Das ganze Gespräch zum Nachschauen:
Zusammenfassung
- Gesundheitsminister Rauch erklärt sein Nein zu einer Maskenpflicht mit der Bundesverfassung.
- Der Rechtsprofessor Nikolaus Forgó widerspricht dieser Begründung entschieden.
- Die österreichische Verfassung und die Corona-Gesetze gäben durchaus Spielraum für Maßnahmen wie eine Maskenpflicht.