5 Jahre Brexit: Von der Abstimmung zum großen Bedauern
Bereits im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit der Brit:innen in einem Referendum für den Brexit gestimmt. Rund 52 Prozent entschieden das Schicksal des Vereinigten Königreichs in der EU - bis zum endgültigen Austritt sollten allerdings noch Jahre ins Land ziehen.
So hatte man sich das im Lager der Brexiteers, der Befürworter des britischen EU-Ausstiegs, nicht vorgestellt. Die Regierungsspitze wechselte über die Jahre gleich mehrfach, die Einigung mit der EU wurde für beide Seiten zum diplomatischen Kraftakt.
Der zähe Weg zum Ausstieg
Bereits 2013 kündigt der damalige Premierminister David Cameron von den Konservativen ein Referendum über einen EU-Austritt an. Maßgeblichen Anteil daran haben der konservative Flügel von Camerons eigener Partei sowie die Anti-EU-Partei United Kingdom Independence Party (UKIP).
Am 23. Juni 2016 stimmen schließlich 51,9 Prozent für einen Brexit. Cameron, der selbst für einen Verbleib in der EU geworben hat, kündigt danach seinen Rücktritt als Premierminister an. Die bisherige Innenministerin Theresa May übernimmt im Juli den Vorsitz der Konservativen Partei und wird Regierungschefin.
Von Cameron zu May zu Johnson
Am 29. März 2017 reicht Großbritannien den offiziellen Austrittsantrag bei der EU ein. Was folgt, ist ein jahrelanges Hickhack um einen geregelten Austritt. Die Frist für einen solchen wird mehrmals verschoben, eine letzte Europawahl mit Großbritannien wird geschlagen.
Auf May folgt Boris Johnson mit einer Regierung aus Brexit-Hardlinern. Bereits vereinbarte Abkommen werden in London nicht abgesegnet, einen No-Deal-Brexit will man allerdings ebenso wenig.
Die britischen Schulden bei der EU, die künftigen Rechte der EU-Bürger:innen in Großbritannien und eine Grenzregelung für Nordirland sind die großen Streitpunkte im Ringen um eine Einigung.
Nach einem klaren Wahlsieg von Boris Johnson haben die Tories die absolute Mehrheit im britischen Unterhaus und der mit Brüssel vereinbarte Austrittsvertrag wird im Dezember 2019 durchgewunken. Auch das Oberhaus und das Europaparlament billigen den Vertrag.
Nach dem 31. Jänner 2020 ist Großbritannien nicht mehr Teil der EU.
Aus dem Archiv: Großbritannien verlässt heute EU
Streit um Handelsabkommen
Geklärt ist das Verhältnis zwischen den einstigen Vertragspartnern damit allerdings noch längst nicht. Nun ringt man um eine Einigung auf einen Handelspakt - parallel dazu wird in Großbritannien ein Binnenmarktgesetz beschlossen, das den Austrittsvertrag teilweise aushebeln soll. Im Oktober 2020 leitet die EU wegen der Vertragsverletzung rechtliche Schritte ein.
An Heiligabend 2020 einigen sich Brüssel und London schließlich doch noch auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit. Am 31. Dezember 2020 endet eine elfmonatige Übergangsphase und Großbritannien verlässt auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion.
5 Jahre nach dem Brexit
Heute wären 56 Prozent der Brit:innen Umfragen zufolge dafür, der EU wieder beizutreten - freilich eine unrealistische Option.
Laut einem aktuellen Bericht der Aston University in Birmingham leidet der britische Außenhandel immer schwerer unter dem Brexit: In den Jahren nach dem Austritt aus der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt - zwischen 2021 und 2023 - sank der Wert der britischen Warenexporte in die EU um 27 Prozent, der Wert der Importe um 32 Prozent.
Besonders kleine und mittelständische Unternehmen kämpfen mit den bürokratischen Hürden, die der Brexit mit sich brachte. "Es ist teurer und aufwendiger geworden, in die EU zu exportieren", erklärt Richard Grieveson vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). "Einige haben aufgegeben", so der Ökonom gegenüber der APA.
Studien zufolge kostete Großbritannien der Brexit in Summe allerdings zwischen drei bis fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP). Grieveson beschreibt den EU-Austritt aus wirtschaftlicher Sicht dennoch als "suboptimal, aber nicht katastrophal".
Brexiteer-Vorstellungen "idiotisch"
Gleichzeitig sei es laut dem Experten "idiotisch" gewesen zu glauben, durch neue Handelsabkommen die EU ersetzen zu können. Nach dem Brexit schloss Großbritannien zwar 71 neue Handelsabkommen - 68 davon waren jedoch über die Europäische Union geregelt. Hinzu kommen Deals mit Japan, Australien und Neuseeland - wobei die letzteren beiden zum Commonwealth gehören.
"Die meisten Wähler sind zu dem Schluss gekommen, dass der Brexit der Wirtschaft geschadet hat und nicht das gebracht hat, was sich viele 'Leave'-Wähler vor allem erhofft hatten, nämlich eine Verringerung der Einwanderung", schrieb der Politikwissenschafter John Curtice von der Universität Strathclyde zuletzt in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "The Telegraph".
Hoffnungen der Migrationsgegner nicht erfüllt
Zwar kommen nach dem Ende der Personenfreizügigkeit weniger Menschen aus der EU nach Großbritannien, die Zuwanderung aus Ländern außerhalb der Europäischen Union ist jedoch massiv gestiegen. Eine der Ursachen sei die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften, so Grieveson. EU-Bürgerinnen und -Bürger waren vor allem in relativ gering qualifizierten und schlechter bezahlten Bereichen tätig.
Die Auswirkungen nach dem EU-Austritt waren nach Ansicht des Experten in Großbritannien jedenfalls stärker spürbar als in der Europäischen Union. Irland und die Niederlande profitierten sogar: Viele britische Firmen gründeten für einfachere Handelsbeziehungen einen Unternehmenssitz dort.
Zusammenfassung
- Am 31. Jänner 2020 ist Großbritannien endgültig aus der EU ausgetreten. Das Thema "Brexit" beschäftigt uns allerdings schon deutlich länger.
- Eine Chronologie des Austritts und was seitdem passiert ist.