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Bildungsmobilität weiter nur gering

Der Bildungsstand der Eltern wird nach wie vor auf den Nachwuchs "vererbt". Das zeigen am Dienstag präsentierte Zahlen der Statistik Austria. So schafften etwa nur rund neun Prozent aller 25- bis 44-Jährigen, deren Eltern maximal eine Pflichtschule abgeschlossen haben, einen Hochschulabschluss. Bei Kindern von Akademikern liegt diese Rate dagegen bei rund 61 Prozent und damit fast siebenmal so hoch.

Für die Darstellung wurden die Bildungsabschlüsse in vier Kategorien (maximal Pflichtschule, Lehre/berufsbildende mittlere Schule (BMS), AHS/berufsbildende höhere Schule (BHS) und Hochschule/Akademie) eingeteilt. Anschließend wurde verglichen, welche Abschlüsse die jeweiligen Eltern und deren 25- bis 44-jährige Kinder erreicht haben. Ergebnis: Weitgehend verblieben die jeweiligen Sprösslinge in ihren "Kasterln" bzw. rutschten eine Stufe hinauf.

Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss erreichten zu 36 Prozent erneut nur höchstens einen Pflichtschulabschluss, immerhin 42 Prozent schafften eine Lehre oder BMS). In die beiden höchsten Bildungsstufen stieg dagegen jeweils nur rund jeder Zehnte auf. Dagegen schlossen sechs von zehn Akademikerkindern ebenfalls ein Hochschulstudium ab - rund 20 Prozent verzeichneten eine AHS- bzw. BHS-Matura als höchsten Abschluss, ca. jeder Zehnte eine Lehre/BMS.

Der starke Einfluss der Eltern zeigt sich auch in einer Analyse der Erfolgsaussichten für den Abschluss einer AHS-Oberstufe bzw. einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule oder einer Lehre. Dafür wurden 120.000 Bildungskarrieren jener Schülerinnen und Schüler analysiert, die 2012/13 oder 2013/14 erstmals die neunte Schulstufe besucht haben. Schüler mit einem sogenannten "stark unterstützenden Hintergrund" (dieser umfasst Bildungsstand, Erwerbstätigkeit und Einkommen der Bezugspersonen bzw. Geburtsland der Bezugspersonen und Schüler) hatten eine deutliche höhere Wahrscheinlichkeit für einen Abschluss als jene mit einem nur "gering unterstützenden" - das gilt auch, wenn sämtliche andere Einflussfaktoren wie Geschlecht, Aufenthaltsdauer in Österreich und dafür besuchte Schule konstant gehalten werden.

Im Falle eines in Österreich geborenen männlichen Schülers, der über die damalige Hauptschule in die neunte Schulstufe kam, betrug die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Abschluss einer AHS-Oberstufe demnach mit gering unterstützendem Hintergrund 73 Prozent, mit stark unterstützendem Hintergrund dagegen 88 Prozent. Etwas geringer ist der Einfluss des davor besuchten Schultyps - also (damalige) Hauptschule oder AHS-Unterstufe. Die Wahrscheinlichkeit für einen männlichen, in Österreich geborenen Schüler mit stark unterstützendem Hintergrund, die AHS-Oberstufe abzuschließen, lag demnach nach einem Hauptschulbesuch bei 88 Prozent und nach einem AHS-Unterstufen-Besuch bei rund 95 Prozent (bei konstant gehaltenen anderen Faktoren).

Noch deutlicher wird der Einfluss der vorhergehenden Schullaufbahn, wenn man auf die Übertrittsraten sieht: So besuchen neun von zehn Schülerinnen oder Schülern nach dem Abschluss einer AHS-Unterstufe eine maturaführende Schule - allerdings nur vier von zehn nach dem Abschluss einer Mittelschule. "Die Bildungsmobilität zwischen den Generationen ist in Österreich nur schwach ausgeprägt und die Weichen für die Bildungslaufbahn werden früh gestellt", resümierte Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Beim Bildungsniveau insgesamt verändern sich die Zahlen nur langsam, dafür aber stetig: Die am häufigsten abgeschlossene Ausbildung ist nach wie die Lehre: 32,6 Prozent der 25- bis 64-Jährigen haben eine solche absolviert. "Die Lehre liegt nach wie vor auf dem Meisterrang", so Thomas. Ihr Anteil war allerdings zuletzt rückläufig. Auf Platz zwei rangieren die Personen mit Abschluss einer mittleren und höheren Schule (30,4 Prozent) mit stagnierenden Werten. Rang drei belegen mit steigendem Anteil Hochschulabsolventen mit 19,7 Prozent und am Ende liegen mittlerweile die Personen mit maximal Pflichtschulabschluss (17,3 Prozent) mit sinkenden Werten.

SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler sprach sich in einer Aussendung für eine gemeinsame Schule bis zum Alter von 14 Jahren aus. Auch ihr NEOS-Pendant Martina Künsberg Sarre forderte neben einem Ansetzen im Kindergarten das "Abkommen von einer strikten Trennung der Kinder mit zehn Jahren". Ähnlich die Industriellenvereinigung: "Das unzureichende Angebot an Elementarbildungsplätzen, die frühe Trennung der Schülerinnen und Schüler nach der Volksschule und zu wenig Ganztagsschulen verstärken das Ungleichgewicht an Chancen und zementieren soziale Ausgangslagen ein", meinte Generalsekretär Christoph Neumayer. Außerdem brauche es Bildungs- und Berufsorientierung als eigenen Unterrichtsgegenstand mit fixem Stundenkontingent nicht nur in Mittelschulen, sondern auch an AHS und BHS.

ribbon Zusammenfassung
  • In Österreich wird das Bildungsniveau stark von den Eltern beeinflusst: Nur 9% der Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss erreichen einen Hochschulabschluss, während es bei Akademikerkindern 61% sind.
  • Die Bildungsmobilität zwischen den Generationen ist gering; die meisten Erwachsenen (32,6%) haben eine Lehre abgeschlossen. Politische Stimmen fordern eine gemeinsame Schule bis zum Alter von 14 Jahren, um Chancengleichheit zu verbessern.
  • Ein stark unterstützender familiärer Hintergrund erhöht die Erfolgschancen in der Bildung signifikant: Schüler mit solch einem Hintergrund haben eine 88%-ige Wahrscheinlichkeit, die AHS-Oberstufe erfolgreich abzuschließen.