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Albanien sieht Melonis Modell als Teil von Migrationslösung

Heute, 13:55 · Lesedauer 5 min

Der albanische Staatspräsident Bajram Begaj sieht das derzeit von Gerichten gestoppte sogenannte Albanien-Modell als Teil der Lösung des Problems der irregulären Migration in der EU. Albanien, obwohl noch nicht EU-Mitglied, wolle helfen und setze EU-Protokolle um, sagte Begaj am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. Albanien möchte auch seine "Hausaufgaben" im Hinblick auf den 2030 angestrebten EU-Beitritt machen.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat in einem bilateralen Abkommen mit Albanien zwei Aufnahmezentren für im Mittelmeer aufgegriffene bzw. gerettete Menschen errichtet. Dort - also außerhalb der EU - sollten italienische Beamte im Schnellverfahren über deren Asylanträge entscheiden. Die italienische Justiz hat das aber gestoppt. Nun befasst sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) damit. Nach neuen Plänen will Rom die Zentren nun quasi als Schubgefängnisse nutzen - für Asylwerber, deren Anträge von Italien bereits abgelehnt wurden. Andere EU-Staaten, darunter Österreich, beobachten das "Modellprojekt" genau.

Van der Bellen lobte den "beeindruckenden Wandel" Albaniens in den vergangenen zehn Jahren. Albanien sei ein "Frontrunner der EU-Kandidatenländer geworden". Van der Bellen bekräftigte Österreichs Unterstützung für die EU-Integration Albaniens und der fünf anderen Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und des Kosovo. Österreich und andere Länder der 2023 gebildeten Gruppe "Freunde des Westbalkans" würden den Beitritt dieser Länder "fördern und beratend zur Seite stehen" sowie bei anderen EU-Ländern dafür werben, die Kandidaturen "ernst zu nehmen". Das sei "manchmal eine zähe Angelegenheit", erklärte Van der Bellen, weil in manchen Ländern eine Beitrittsmüdigkeit - er sprach von "Enlargement-Fatigue" - herrsche. Der Beitritt der sechs Westbalkanländer sei "richtig und wichtig", betonte Van der Bellen. Denn sonst entstehe ein politisches Vakuum, das andere Länder ausfüllen "und das kann nicht im Interesse der Europäischen Union sein".

Begaj sprach auch über die unlängst vereinbarte Militärkooperation zwischen Albanien, Kroatien und dem Kosovo. Dies sei "kein Grund, sich Sorgen zu machen", betonte Begaj. Die Kooperationserklärung sollte auch von Serbien nicht als Drohung wahrgenommen werden. Die beteiligten Länder seien "noch nie in der Vergangenheit an einem Konflikt interessiert gewesen", betonte der albanische Präsident. Der Weg zu Frieden und Stabilität bestehe aus Dialog und Kompromissen. Es gehe darum, den Alltag "besser zu machen". Die Militärkooperation der beiden NATO-Länder mit dem Kosovo sieht mehr gemeinsame Übungen zur Verstärkung der Interoperabilität sowie Kooperation in der Rüstungsindustrie vor. Belgrad, das den Kosovo weiter als seine Provinz ansieht, bezeichnete die Initiative als "offene Provokation".

Van der Bellen erklärte, dass Albanien "zurecht" eine besondere Rolle in der regionalen Zusammenarbeit einnehme. Er sprach insbesondere die "spezielle Situation" der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina an, die sezessionistischen Tendenzen machten ihm Sorgen. Er hoffe außerdem, dass die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien stabilisiert werden könnten.

Langer Weg zurück "nach Europa"

Van der Bellen empfing den Allgemeinmediziner, der in die Armee eintrat und zum Generalstabschef avancierte, am Dienstagvormittag zu einem offiziellen Besuch in der Hofburg. Begaj wurde bei seiner Wien-Visite von seiner Ehefrau Armanda begleitet. Im Anschluss an das Treffen mit dem Bundespräsidenten traf Begaj auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP). Albanien habe im EU-Erweiterungsprozess bemerkenswerte Fortschritte erzielt und es sei von entscheidender Bedeutung, diesen Weg beizubehalten, äußerte sich Stocker auf X nach dem Treffen. "Österreich wird sich weiterhin voll und ganz für dieses Bestreben einsetzen - diese Position habe ich heute gegenüber dem albanischen Präsidenten @BajramBegajAL bei seinem Besuch in Wien bekräftigt", so Stocker. Die enge Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Migration wollten beide Staaten fortsetzen, betonte der Kanzler.

Albanien, das in Zeiten der kommunistischen Diktatur vom Rest der Welt weitgehend isoliert war und so zum Armenhaus Europas wurde, strebt an, in ein paar Jahren der EU beizutreten. Der 58-jährige Begaj ist seit Juli 2022 Präsident, der sich mit dem Ministerpräsidenten die Zuständigkeiten für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Kontrolle über die Armee teilt. Begaj wurde vom Parlament gewählt. Der von den regierenden Sozialisten des seit mehr als elf Jahren an der Macht befindlichen Ministerpräsidenten Edi Rama aufgestellte Begaj war erst im dritten Wahlgang erfolgreich, als ihm eine einfache Mehrheit reichte. Die oppositionellen Demokraten lehnten Begaj ab und boykottierten die Wahl.

In Albanien geschah die Wende nicht wie in den anderen kommunistischen Staaten Europas schon 1989. Erst Ende 1990, Anfang 1991 gingen die Massen auf die Straße. Der Sturz des stalinistischen Regimes, an dessen Spitze vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu seinem Tod 1985 Enver Hoxha gestanden hatte, wurde von einer Massenflucht begleitet. 1997 stand das Land am Rande des Bürgerkriegs, nachdem durch den Bankrott nach dem Schneeballprinzip arbeitender, die albanische Wirtschaft dominierender Geldanlagefirmen Hunderttausende Albaner ihre privaten Ersparnisse verloren. 2009 erfolgte der NATO-Beitritt. Die EU-Beitrittsverhandlungen wurden im Juli 2022 begonnen, gerade als Begaj das Präsidentenamt übernahm.

Geschichtliche und wirtschaftliche Verbindungen

Historisch haben Albanien und Österreich so einige Berührungspunkte: Die Habsburger-Monarchie unterstützte die 1912 erfolgte Unabhängigkeit Albaniens vom Osmanischen Reich tatkräftig. Das Schwert und der Helm des albanischen Nationalhelden Skanderbeg (Skënderbeu), der im 15. Jahrhundert als "Athlet Christi" noch erfolgreich gegen die Osmanen kämpfte, befinden sich im Kunsthistorischen Museum in Wien.

Beide Präsidenten erwähnten die positive Kooperation der Länder im Bildungsbereich. Van der Bellen und Begaj sahen aber noch Potenzial in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Wirtschaftlich betrachtet ist Österreich einer der wichtigsten Auslandsinvestoren in Albanien. Begaj lobte die wirtschaftliche Kooperation in den Bereichen Banken und Infrastruktur und rief zu Investitionen in Tourismus, Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Digitalisierung und Umwelt auf. Nach Schätzungen der Wirtschaftskammer dürfte das Wachstum 2024 vier Prozent betragen haben. Besonders der Tourismussektor hat in den letzten Jahren floriert. Auch die österreichischen Exporte steigen.

Zusammenfassung
  • Der albanische Präsident Bajram Begaj sieht das gestoppte Albanien-Modell als Teil der Lösung für die irreguläre Migration in der EU.
  • Italiens Premierministerin Giorgia Meloni hat Aufnahmezentren in Albanien errichtet, die derzeit vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden.
  • Van der Bellen lobt Albaniens beeindruckenden Wandel und unterstützt den EU-Beitritt der Westbalkanstaaten.
  • Albanien hat eine Militärkooperation mit Kroatien und dem Kosovo vereinbart, was von Serbien als Provokation angesehen wird.
  • Österreich ist ein bedeutender Investor in Albanien, besonders in den Bereichen Banken, Infrastruktur und Tourismus.