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40 Prozent der Opfer sexueller Gewalt im Kongo sind Kinder

Heute, 11:51 · Lesedauer 4 min

Nach einem kurzen Aufflackern des Medieninteresses im Zuge des Vorrückens der M23-Rebellen im Ostkongo, ist es wieder ruhiger um den Konflikt geworden. Die Situation für die Bevölkerung in dem ostafrikanischen Land ist aber weiter äußerst prekär. Das Ausmaß an akuter Mangelernährung sei enorm, besonders erschreckend sei die große Zahl, rund 40 Prozent, an minderjährigen Opfern sexueller Gewalt, sagte Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Mittwoch.

In seinen "vielen, vielen Jahren" als Einsatzleiter in diversen Konfliktregionen, habe er noch nie so viele Kinder, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, gesehen, erklärte Bachmann, der von Anfang Jänner bis Ende März als Einsatzleiter für Ärzte ohne Grenzen im Osten der Demokratischen Republik Kongo tätig war, bei einer Pressekonferenz in Wien. Insgesamt gebe es zigtausende Opfer, die Situation sei "unbeschreiblich". Alleine Ärzte ohne Grenzen habe im vergangenen Jahr in ihren Projekten über 38.000 Überlebende sexualisierter Gewalt behandelt. Für 2025 geht Bachmann von steigenden Zahlen aus, wobei viele Opfer gar keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen hätten.

Eines der Hauptprobleme sei außerdem die Ernährungssituation. Sie sei aufgrund der Konfliktsituation und der wirtschaftlichen Auswirkungen der Kämpfe "besonders schlecht und habe sich dann akut nochmals verschlechtert", so Bachmann. Von Mangelernährung seien insbesondere Kinder, schwangere und stillende Frauen betroffen. Das Gesundheitssystem sei mittlerweile nicht mehr annähernd in der Lage, den Bedarf an humanitärer Hilfe zu decken. Auch Ärzte ohne Grenzen konnte im Februar, während die von Ruanda unterstützten Rebellen vorrückten und immer mehr Städte in den östlichen Provinzen unter ihre Kontrolle brachten, nur mehr die absolut lebensrettende medizinische Versorgung aufrechterhalten.

Durch das äußerst brutale Vorgehen und die immer wiederkehrenden Kampfhandlungen lebten die Menschen im Ostkongo in ständiger Angst. Bachmann: "Überall, wo bewaffnete Gruppierungen hinkommen, können sie nicht bleiben. Das Ausmaß an Angst lässt sich nur schwer in Worte fassen." Dabei würden sowohl die kongolesische Armee als auch die M23-Rebellen "ohne Respekt für das internationale Völkerrecht oder etwa die Genfer Menschenrechtskonvention vorgehen" und etwa auch Gesundheitseinrichtungen attackieren, kritisierte der MSF-Experte.

Die einzige Möglichkeit für die betroffenen Menschen in der Region sei die Flucht. Hunderttausende Menschen seien in die Flucht getrieben worden. Teils müssen sie binnen weniger Wochen und Monate mehrmals ihren Aufenthaltsort wechseln. So etwa, als die M23-Rebellen die strategisch wichtige Stadt Goma einnahmen und "binnen zwei Wochen alle Lager für Binnengeflüchtete plötzlich leer waren", schilderte Bachmann. Aus Angst und Panik vor weiteren Kämpfen seien viele Menschen Hals über Kopf einfach weitergezogen. Die M23 würde dies als Erfolg verkaufen und sich damit rühmen, dass Geflüchtete nun wieder in ihre Dörfer zurückkehren könnten. "Das ist einigermaßen zynisch", so Bachmann. Die Bedingungen für eine sichere Rückkehr seien "selbstredend nicht erfüllt".

USAID-Kürzungen treffen DR Kongo ganz besonders

Besonders alarmiert zeigte sich Bachmann über die Auswirkungen der von der Trump-Regierung angekündigten Kürzungen bei der US-Entwicklungsbehörde USAID. Die DR Kongo sei wie kein anderes Land weltweit abhängig von Entwicklungshilfegeldern aus den USA, knapp 70 Prozent der humanitären Hilfsgelder stammten im Vorjahr laut Ärzte ohne Grenzen von der US-Regierung. Dass nun 93 Prozent der Hilfe "buchstäblich von einem Tag auf den anderen auf disruptivste Art und Weise gestoppt" wurden, habe verheerende Konsequenzen, warnte Bachmann. Die von MSF unterstützen Einrichtungen hätten über Nacht plötzlich doppelt soviele Menschen zu betreuen gehabt - ohne aber mehr Gelder zur Verfügung zu haben.

"Völliges Unverständnis" habe er für die Entscheidung der US-Regierung, die Verteilung von Malaria-Medikamenten einzustellen, obwohl diese noch in der Region gelagert und verfügbar wären - und vor allem dringend benötigt würden. Denn wegen der Regenzeit herrscht im Kongo aktuell "Malaria-Hauptsaison".

(SERVICE: Ärzte ohne Grenzen im Kongo - https://go.apa.at/RBhleghQ)

Zusammenfassung
  • Rund 40 Prozent der Opfer sexueller Gewalt im Kongo sind Kinder, was die prekäre Lage im ostafrikanischen Land verdeutlicht.
  • Die USAID-Kürzungen durch die Trump-Regierung führten dazu, dass 93 Prozent der Hilfsgelder abrupt gestoppt wurden, was die humanitäre Krise weiter verschärft.
  • Die Ernährungssituation im Kongo hat sich drastisch verschlechtert, besonders betroffen sind Kinder, schwangere und stillende Frauen.