Zwischen Himmel und Black Metal: Liturgy spielten in Wien
Gegründet vor knapp 20 Jahren als Soloprojekt (damals noch als Hunter Hunt-Hendrix), hat sich die Musikerin seitdem einen festen Platz in der Nische avantgardistischen Black Metals erarbeitet. Für Alben wie das mächtige "Aesthetica" (2011) oder das bereits in orchestrale Gefilde abdriftende "The Ark Work" (2015) gab es viel Kritikerlob, aber auch Anfeindungen aus dem Lager von Genrepuristen. "Transcendental black metal" ist wohl nicht für jeden etwas, was Hunt-Hendrix durchaus bewusst ist. "Nicht jede Band strebt nach dieser Form einer überirdischen Erfahrung. Oftmals geht es einfach darum, eine gute Zeit zu haben - was völlig in Ordnung ist. Aber ich liebe Musik, die dich öffnet."
Unterstützt von ihren Bandkollegen Mario Miron (Gitarre), Tia Vincent-Clark (Bass) und Leo Didkovsky (Drums), setzte die Sängerin und Gitarristin das Vorhaben in der Arena schließlich eindrucksvoll um. Wo der Setopener "Daily Bread" mit geloopten Stimmen noch auf eine falsche Fährte lockte, gab es bei dem mehr als achtminütigen "Djennaration" im Anschluss kein Halten mehr. Alles zerschmetternde Blastbeats, infernalische Riffs und Hunt-Hendrix' stets auf Anschlag getrimmtes Organ machten kurzen Prozess. Wobei diese Beschreibung bei Liturgy insofern schief ist, als die Songs gerne Haken schlagen und den einfachen Weg zum Ziel virtuos umspielen.
Hier kommt auch die klassische Ausbildung von Hunt-Hendrix zum Tragen, die klassische Komposition und Musiktheorie studiert hat. Einzelne Themen und Motive werden eingeführt, nur um Minuten später in abgewandelter Form wieder aufzutauchen. "Ich verwende solche Dinge sehr oft, wobei es vielen wohl gar nicht auffällt", sagte sie im APA-Interview. "Üblicherweise kommt das im Metal ja nicht vor." Auf der aktuellen, im Frühjahr veröffentlichten Platte "93696" gibt es diesbezüglich aber kein Entkommen, wenn man mehr als nur ein Stück dieses Opus magnum hört, das beinahe zwei Jahrzehnte Bandgeschichte in ein üppiges, über 80-minütiges Mahl zusammenführt.
Das beinhaltet letztlich auch den philosophisch Hintergrund von Hunt-Hendrix, die sich etwa intensiv mit Numerologie auseinandersetzt (der Albumtitel steht demnach für "Heaven") und in religiösen Dingen auf erhabene Momente setzt. "Das Album dreht sich auch um den Himmel und diese Form eines Geisteszustands." Unbedingt einlesen müsse sich das Publikum zwar nicht, wer aber mehr Zeit hat, kann im YouTube-Kanal der Künstlerin eintauchen in ihre Gedankenwelt. Für den Rest bleibt die musikalische Katharsis, die sich aus den verschiedenen Stilen zusammensetzt. "An dieser Kreuzung entsteht einfach eine hoffnungsvolle Kraft. Und das interessiert mich viel mehr, als ein bestimmtes Genre."
Gut 80 Minuten lang kam die ergebene Fanschar in der Arena jedenfalls in den Genuss von Stücken, die live vor allem als massive Soundwand dargeboten wurden. Wo die Albumversionen mit variantenreicher Instrumentierung aufwarten - von Glockenspiel über diverse Synths bis zu Streicherunterstützung ist da alles dabei -, wurde so der Intensität dem Vorzug gegenüber der Schönheit gegeben. Schade war, dass die Riffgroßtat "Generation" aufgrund von Gitarrenproblemen der Frontfrau nur in abgespeckter Form zur Geltung kam. Aber wer zum Finale noch eine 15-minütige Urgewalt wie "Antigone 2" aus dem Köcher ziehen kann, muss sich mit solchen Hindernissen nicht lange aufhalten. Liturgy haben ihre Sonderstellung im Genre und darüber hinaus eindrucksvoll untermauert.
(S E R V I C E - https://liturgy.bandcamp.com/)
Zusammenfassung
- "Das Album dreht sich auch um den Himmel und diese Form eines Geisteszustands."