Wetterglück für das "Hoch Kultur Festival": 7.000 Besucher
"Dass der musikalische Weg, den wir vor 30 Jahren eingeschlagen haben, mit einem Erfolg wie diesem einen weiteren beglückenden Höhepunkt gefunden hat, ist überwältigend", freute sich Franui-Mastermind Andreas Schett nicht nur über dreitägiges Wetterglück, sondern auch über ein Publikum, das einem wahren musikalischen Kontrastprogramm auf 1.673 Metern Seehöhe hochkonzentriert lauschte, wenn Klassikstars in dem von hohen Bergen umrahmten Natur-Konzertsaal filigrane Töne anschlugen, und ausgelassen mitging, wenn etwa von der österreichischen Gruppe Shake Stew gegroovt wurde. So meinte etwa Konstantin Heinrich vom Fauré Klavierquartett, das am zweiten Tag u.a. Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" spielte: "Die Alm bebt!" Höhepunkt ihres Auftritts war allerdings eine Nummer zum durchaus nicht unkomplizierten Mitpfeifen, über wie der Cellist danach befand: "Da werden die Murmeltiere neidisch."
Zu ihrem 30. Geburtstag hatte die international renommierte Musikgruppe Franui hochkarätige Gäste aus allen Genres und Himmelsrichtungen eingeladen und sich selbst recht zurückhaltend in das Festivalprogramm eingebaut - was manche Besucher ein wenig enttäuschte. Dafür bekam man aber etwa Beispiele von Franuis Beschäftigung mit Franz Schubert (den Schett, der konsequent tirolerisch moderierte, stets "Schubacht" aussprach) geboten: am zweiten Tag die "Franzensfeste" gemeinsam mit den Strottern, am Schlusstag mit Boeschs "Die schöne Müllerin", die erst vor wenigen Wochen in einem ganz anderen Konzertsaal erklungen war, nämlich in der Hamburger Elbphilharmonie.
Zentral waren die einzigartigen Kombinationen, die jeweils im mittleren der drei Sets aufgeboten wurden: Am ersten Tag begeisterten Liedermacherin Anna Mabo, Jazzpianistin Johanna Summer, die über Klassikstücke improvisierte, und die vier finnischen Mundharmonika-Virtuosen von Sväng. Am zweiten Tag bildeten die Strottern, der Schweizer Stimmkünstler Christian Zehnder, der mal beim menschlichen Muhen begann und beim Jodeln endete, mal an die legendären Filmmusik zu "Koyaanisqatsi" erinnerte, sowie die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh das Mittelstück. Die von ihr mit zarter Kuhglocken-Geräuschkulisse gespielte 3. Solo-Cello-Suite von Bach bildete einen der Höhepunkte des Festivals.
Topografischer Höhepunkt war freilich die 2.624 Meter Kreuzspitze, die sich am dritten Tag unter Führung von Bergläuferin Irmgard Huber erklimmen ließ. Ziel nach einem steilen Abstieg über Geröllfelder war die 1.402 Meter hoch gelegene Franui-Wiese, Namensgeber der Musicbanda und vor zehn Jahren Schauplatz des Festes zum 20. Band-Geburtstag. Zahlreiche Hubschrauberflüge waren damals notwendig, um das Equipment auf die nur über einen Hütersteig erreichbare Almwiese zu befördern. "Das wäre heute nicht mehr möglich", erinnert sich Christof Schett, heute Vizebürgermeister und logistischer Organisationschef des "Hoch Kultur Festivals", an das letzte Jubiläum, das obendrein wegen eines herannahenden schweren Gewitters Hals über Kopf abgebrochen werden musste.
Beinahe Hals über Kopf ging es für die Wanderer auch gestern, Samstag, ins Tal. Um den wetterbedingt vorverlegten Beginn des dritten Festivaltages nicht zu verpassen, wurde die Direttissima gewählt - die Abkürzung führte steil durch Latschenfelder und Heidelbeersträucher, bei denen man besser nicht straucheln sollte. Ein Abenteuer mit glücklichem Ausgang: Nach Eilmärschen erreichte die Gruppe exakt zu den ersten Klängen der von Klassik-Shootingstar Vikingur Olafsson angeschlagenen "Goldberg-Variationen" das Ziel. Es wurde ein Ereignis, das alle in den Bann schlug.
Um die Bedeutung dieser Konzertstunde mit Bach am Gebirgsbach zu verdeutlichen: Es war der inoffizielle Auftakt einer Welttournee, die den isländischen Pianisten auf sechs Kontinente (und auch ins Wiener Konzerthaus) führen wird. "25 Jahre lang habe ich davon geträumt, dieses Werk aufzunehmen", sagt der 39-Jährige, dessen Einspielung am 6. Oktober bei Deutsche Grammophon erscheint und für den extra ein Fazioli Konzertflügel auf die Unterstalleralm geschafft wurde. "Für Bach auf höchstem Niveau gibt es nur eine Adresse", schrieb "The Times" über Víkingur Ólafsson, der ein hinreißendes "Ave Maria" des isländischen Komponisten Sigvaldi Kaldalóns als spezielles Geburtstagsgeschenk für Franui folgen ließ und sich von seinem Konzertsaal hingerissen zeigte: "Ich bin ein Mann der Berge, aber in Island haben wir leider keine Bäume ..."
Was die Bäume im Villgratental angeht, kann man nur hoffen, dass es gelingt, dem Borkenkäfer, der hier bereits große Schäden hinterlassen hat, Einhalt zu gebieten. Und was die Arbeit von Franui angeht, sprach Andreas Schett am Samstagabend das Schlusswort: "Wenn's nur immer so weiter geht." Über eine Fortsetzung des "Hoch Kultur Festival" wird bereits nachgedacht.
(S E R V I C E - www.franui.at; www.hochkulturfestival.at)
Zusammenfassung
- Obwohl das Programm des letzten Tages wegen der schlechten Wetterprognose um eine Stunde vorverlegt werden musste, ging das "Hoch Kultur Festival" auf der Unterstalleralm im Osttiroler Innervillgraten am Samstagabend bei Schönwetter zu Ende.
- Die Veranstalter zählten insgesamt 7.000 Besucher an den drei Festivaltagen.
- Die von ihr mit zarter Kuhglocken-Geräuschkulisse gespielte 3. Solo-Cello-Suite von Bach bildete einen der Höhepunkte des Festivals.