Weder Stier, noch Kampf: Helge Schneider im Konzerthaus
Was wohl einst seine Lehrer meinten, das kann man dem heute 68-Jährigen noch immer nachsagen: Er hätte es drauf wie nur wenige, aber er strengt sich nicht an. Helge nimmt es demonstrativ locker. Wirkt Otto Waalkes bei seinen Auftritten stets wie auf Speed, so wirkt er wie auf Baldrian. Aber will man von einer "singenden Herrentorte", die auf 16 Platten, sechs Filme und 14 Bücher zurückblicken kann, dass sie ihr offensichtliches Erfolgsrezept abändert? Im außergewöhnlich bunt gemischten Publikum des Konzerthauses gab es jedenfalls genügend Fans, die bei beiläufig eingestreuten Gags lauthals loslachten, mit denen man sich sonst nicht einmal bei der Maturafeier blicken lassen dürfte. Andere Teile des Publikums flüchteten bereits zur Pause.
Dass Helge Schneider sein Programm runterrotzt, als hätte er es nicht nötig, ist natürlich bereits Programm. Und klarerweise hat er es tatsächlich nicht nötig. Die zehn Lieder des Abends (sein berühmtes "Katzeklo" gibt es nur als Sujet am Merchandise-Stand) werden von einer skurrilen Band an Gitarre (Sandro Giampietro), Kontrabass (Reinhard Glöder) und Schlagzeug (Willy Ketzer) begleitet, während sich Helge Schneider immer mal wieder ans Klavier setzt, die eine Hand in die Tasten hauen lässt und mit der anderen Trompete spielt oder sekundenlang Rhythmusinstrumente bedient.
Als Musikclown hat Schneider wirklich viel zu bieten. Er spielt ebenso Saxophon wie Vibraphon und bedient so souverän wie beiläufig mit ein paar Takten des Harry-Lime-Themas aus "Der dritte Mann" oder dem Dreigroschenlied in einer Bearbeitung für Saxophon und Melodika die Wiedererkennungseffekte. Dazwischen werden nicht Stierkampf-, sondern Western-Motive angespielt und darf Sergej Gleithmann nicht nur Bodengymnastik vorzeigen, sondern auch Steckenpferd reiten. Wo Helge Schneider draufsteht, ist immer auch ein Schuss Dada drinnen.
Eine Ahnung, auf welche Reise Helge Schneider uns mitnehmen könnte, wenn er es nur wollte, bekommt man erst bei der Zugabe, die er solo am Klavier absolviert und dabei eine hingenuschelte Konversation mit einem über hundertjährigen Pommes-Verkäufer zum Besten gibt. Im Handumdrehen entstehen dabei eine Geschichte und Bilder, die einen in die Zukunft blicken lassen. Eine Zukunft, in der es im gesamten Universum nur noch vier Portionen Pommes frites gibt. Wer zuletzt lacht, lacht am besten? Möglich. Bloß blieben die Lacher bei diesem Ende stumm. Die hatten nämlich spät, aber doch, etwas zum Nachdenken.
(S E R V I C E - Helge Schneider: "Der letzte Torero - The Big L.A. Show", Wiederholung heute, Mittwoch, 19.30 Uhr, im Wiener Konzerthaus. www.konzerthaus.at)
Zusammenfassung
- In Deutschland ist Helge Schneider gerade auf Lesereise mit seinem jüngsten Krimi "Stepptanz".
- Im Wiener Konzerthaus war er nicht als Stepptänzer, sondern als Torero angekündigt.
- Doch seinen Abend "Der letzte Torero - The Big L.A. Show" absolvierte der Multi-Künstler am Dienstag nicht mit dem knappen, roten Stierkämpfer-Outfit, in dem er für sein Plakat posierte, sondern im lockeren grauen Anzug.
- Und klarerweise hat er es tatsächlich nicht nötig.