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Ungewöhnlich: Barbara Zemans Roman-Zweitling "Beteigeuze"

Beteigeuze ist ein Riesenstern im Sternbild des Orion, um vieles größer als die Sonne. Wer sich für ihn interessiert, ist entweder Wissenschafter oder Hobby-Astronom. Theresa Neges ist weder das eine noch das andere. Sie ist, gelinde gesagt, exzentrisch, und interessiert sich vor allem für den Himmel und dafür, wie lange sie unter Wasser die Luft anhalten kann. Sie ist die Hauptfigur von Barbara Zemans Roman "Beteigeuze". Und sie ist schwer zu fassen.

Die in Wien lebende Burgenländerin legte 2019 ihren Debütroman "Immerjahn" vor. Es ging darin um einen steinreichen Erben, der die von Mies van der Rohe erbaute Familienvilla als Museum für seine exorbitante Kunstsammlung zugänglich machen will - ein Buch, so unübersichtlich und scheinbar planlos wie das in ihm beschriebene Projekt. Ihrem Stil blieb Zeman, die bei den jüngsten Wiener Festwochen gemeinsam mit Clemens Setz und Robert Stadlober in einer Mischung aus Plauderei und Konzert Marginalien aus dem Leben von Karl Kraus öffentlich besprach, auch in ihrem Zweitling treu: Sprunghaftigkeit statt Stringenz.

Beim Bachmann-Preis 2022 hat Zeman eine Passage aus dem neuen Roman vorgelesen. Sie führte nach Chioggia und in die Irre. Denn das, was nun als Prolog vorangestellt ist, hat mit dem in Wien spielenden Rest nicht viel zu tun. Theresa und ihr Freund Josef bewohnen eine winzige, blau gestrichene Wohnung in einem grünen Haus in der Josefstadt. Es ist eine vom Eigensinn der jungen Frau geprägte, unstete Beziehung, in der mit Wera auch noch eine dritte Person eine Rolle spielt. Eine Nebenrolle freilich, denn die Hauptrolle hat Theresa, daran lässt sie nie einen Zweifel.

"Beteigeuze" hat im eigentlichen Sinn keine Handlung und auch nichts zu erzählen. Es ist das Psychogramm einer Frau, die keine Grenzen kennt und ihre Pillen nicht nimmt. Wie ein Kind folgt Theresa ihren Launen, und Barbara Zeman hat sich vorgenommen, diese nicht zu kritisieren oder zu steuern, sondern lediglich zu beschreiben. Manches an ihrem Lebensstil, wie der für die Jahreszeit unpassende Mantel, den sie vorzugsweise trägt, kann als Exzentrik durchgehen, anderes, wie völlig unerwartete Kommentare oder Verhaltensweisen, die sie als Aushilfe in einem Café zunehmend untragbar machen, weist deutliche Zeichen einer psychische Erkrankung auf.

Was auch passiert, ob sie im Lokal einen Mann, der sich die Hände waschen will, während sie das Waschbecken blockiert, anschreit, oder ob sie sich auf den Grund des Donaukanals legt, weil das Stadthallenbad geschlossen hat: Josef hält zu ihr - und Barbara Zeman hält ebenfalls zu ihr. Schließlich gibt ihr Theresa eine wunderbare Gelegenheit, sprachliche Glanzlichter zu setzen, ohne die Verbindungsschnur allzu straff spannen zu müssen. Manches leuchtet, manches flackert, und manches setzt sich der Gefahr eines Kurzschlusses aus.

Ob man es abseits der Buchdeckel mit Theresa lange aushalten würde, ist zu bezweifeln. Als literarische Figur hat sie immerhin einen unschätzbaren Vorteil: Wenn sie einem zu viel wird, klappt man das Buch einfach zu. Und um ehrlich zu sein: Sie geht einem danach nicht wirklich ab. Auch Beteigeuze wird verschwinden. Wann genau, darüber sind sich die Experten uneinig. Eines jedoch scheint gesichert: Vor seinem endgültigen Erlöschen dürfte er noch einmal alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

(S E R V I C E - Barbara Zeman: "Beteigeuze", dtv, 304 Seiten, 24,70 Euro; Buchpremiere am 11.9., 19 Uhr, im Literaturhaus Wien)

ribbon Zusammenfassung
  • Barbara Zemans Roman 'Beteigeuze' dreht sich um die exzentrische Theresa Neges, die in Wien in einer unsteten Beziehung lebt und Verhaltensweisen zeigt, die auf eine psychische Erkrankung hinweisen.
  • Der Roman hat keine klare Handlung und beschreibt stattdessen das Psychogramm einer Frau ohne Grenzen, wobei Zeman Theresas exzentrischen Lebensstil ohne Kritik beleuchtet.
  • Der Roman 'Beteigeuze' wird am 11. September im Literaturhaus Wien vorgestellt und umfasst 304 Seiten.