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Sprachbildermalerin Helena Adler muss Wettlesen absagen

Die von Juror Klaus Kastberger eingeladene Salzburgerin Helena Adler hat am Mittwoch ihre Teilnahme an den 47. Tagen der deutschsprachigen Literatur abgesagt. Sie müsse sich "in der kommenden Woche einer unaufschiebbaren medizinischen Behandlung unterziehen und kann deshalb nicht vor der Jury in Klagenfurt lesen", hieß es in einer Aussendung. "Die Statuten sehen vor, dass eine Teilnahme am Bewerb nur mit persönlicher Anwesenheit und eigener Lesung erfolgen kann."

Als Autorin hat Adler etwas Besonderes erreicht: Sie schaffte es mit zwei ihrer drei ersten Romane - nämlich mit "Die Infantin trägt den Scheitel links" (2020) und "Fretten" (2022) - auf die Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. Geboren wurde sie 1983 als Stephanie Helena Prähauser in Oberndorf bei Salzburg und wuchs auf einem Bauernhof auf. In Salzburg studierte sie Germanistik, Psychologie, Philosophie sowie Malerei. Zunächst vor allem als Bildende Künstlerin aktiv, begann sie später literarische Texte zu publizieren und war Mitbegründerin der Literatur-Werkstatt LiLoLa (Literatur-Lobby-Land). Um nicht mit ihrer Kollegin Teresa Präauer verwechselt zu werden, die ebenfalls als Autorin und Künstlerin arbeitet, entschied sie sich für den Künstlernamen Helena Adler.

2018 erschien ihr Debütroman "Hertz 52" im kleinen Arovell Verlag. Der Titel ist eine Anspielung auf einen Wal, der beim Kommunizieren mit seinen Artgenossen die falsche Tonhöhe wählt und daher vereinsamt, und auch das Beziehungsleben der Ich-Erzählerin erweist sich als nicht einfach. Zur gleichen Zeit erhielt Adler für die Arbeit an ihrem zweiten Roman das mit 10.000 Euro dotierte Jahresstipendium des Landes Salzburg für Literatur.

Dieser erschien 2020 im renommierten Verlag Jung und Jung und widmete sich mit großer Verspieltheit dem bäuerlichen Nachwuchs und dessen Überlebensstrategien. "Die Infantin trägt den Scheitel links" sei "ein Bilderbuch, das ohne Illustrationen auskommt", hieß es in der APA-Rezension. Es gehe viel um Bilder, nicht nur um Sprachbilder, beginne mit den Sätzen "Nehmen Sie ein Gemälde von Pieter Bruegel. Nun animieren Sie es" und spiele in den 21 Kapitelüberschriften jeweils auf bekannte Gemälde an - von Yves Kleins "Monochromes Blau" bis zu Bruegels "Jäger im Schnee". Das Leben am elterlichen Bauernhof ist für die Erzählerin, die titelgebende selbst ernannte Infantin, kein Zuckerschlecken: Ständig hagelt es Prügel, die Eltern streiten dauernd, die zwei Schwestern werden nicht müde, sich neue Gemeinheiten auszudenken. Jede Etappe des Aufwachsens bringt neue Schreckensbilder, die lustvoll in Schockfarben gemalt werden. Am Ende sind die Ahnen tot, die Eltern im Gefängnis oder in der Klinik und der Erbhof in den Händen der bösen Schwestern.

Das Buch stehe "in der Tradition des österreichischen Antiheimatromans, findet dabei aber einen ganz neuen, so noch nie gehörten oder gelesenen Ton", befand die Jury des Österreichischen Buchpreises, wo es Adler in die Schlussrunde schaffte. Nominierungen gab es auch für den Deutschen Buchpreis (Longlist) und die Hotlist der unabhängigen Verlage.

Zwei Jahre später erschien mit "Fretten" quasi die Fortsetzung, mit der Adler es nicht nur an die Spitze der ORF-Bestenliste, sondern erneut in die Endrunde des Österreichischen Buchpreises schaffte. Erzählt wird das Drama der Pubertät, die Eroberung der Eigenständigkeit, doch geht es dabei weniger um Narration als um Assoziationen und Alliterationen. Details der Handlung - Ausbrüche aus der familiären Enge, Einbrüche einer Jugendgang, Aufbrüche ins eigene Leben, eigene Mutterschaft - muss man sich zusammenreimen. Das titelgebende "Fretten" wird dagegen gleich eingangs erklärt: "sich abmühen, sich plagen, mühsam über die Runden kommen, sich aufreiben, sich wund reiben".

Oberfläche und Tiefe wechseln sich in "Fretten" ununterbrochen ab. Vieles scheint der reinen Lust an der Formulierung, am Sprachspiel geschuldet, anderes geht schmerzhaft unter die Haut. "Lest dies zu meinem Gedächtnis: Die Tinte wurde zu meinem Wehrsekret", heißt es im Schlusskapitel. "Das Fell, das ich mir über die Ohren zog, wärmte mich, je schonungsloser ich mit mir umging, desto weniger ging ich unter."

ribbon Zusammenfassung
  • Die von Juror Klaus Kastberger eingeladene Salzburgerin Helena Adler hat am Mittwoch ihre Teilnahme an den 47. Tagen der deutschsprachigen Literatur abgesagt.
  • 2018 erschien ihr Debütroman "Hertz 52" im kleinen Arovell Verlag.
  • Zwei Jahre später erschien mit "Fretten" quasi die Fortsetzung, mit der Adler es nicht nur an die Spitze der ORF-Bestenliste, sondern erneut in die Endrunde des Österreichischen Buchpreises schaffte.