Popband Hinds trotzt mit "Überlebensalbum" schwieriger Zeit
"Auch wenn wir Schwierigkeiten überstehen mussten und das Album von ernsten Themen geprägt wurde, pflegen wir kein Selbstmitleid", sagte Perrote. "Dieses Album herauszubringen, ist alle Bemühungen wert gewesen, all die Tränen, Freuden und Schmerzen. Darum ist es trotz allem, auch wenn es unsere bisher dunkelsten Songs enthält, am Ende ein positives Album geworden. Hinds sind immer noch da!"
Die ganze Rhythmussektion zu verlieren, galt es erst zu verdauen, aber: "Das war nicht unsere Entscheidung, sie wollten die Band verlassen. Um ehrlich zu sein, wir haben uns danach noch stärker und selbstsicherer gefühlt", erzählte Cosials. "Wir hatten das Gefühl, alles tun zu können, was wir wollen. Ihr Ausstieg war das letzte Glied in einer Kette von vielen unglücklichen Ereignissen. Ich weiß gar nicht, warum wir zunächst überhaupt so viel Vertrauen in ein neues Album haben konnten. Vermutlich deshalb, weil wir von den Songs überzeugt waren." Letztlich sei man mutiger und stärker aus der Situation herausgekommen. "Wir sind nicht auseinandergefallen."
Die Ausgangslage mag den beiden Musikerinnen nicht unbedingt fremd erschienen sein, begannen sie doch einst als Duo. "Ja, aber ich würde trotzdem nicht sagen, dass es eine befreiende Situation war", so Cosials. "Aber vielleicht hat es die eine oder andere Sache leichter gemacht." Perrote ergänzte: "Wir beide haben ja auch den Großteil der Songs geschrieben, als wir noch zu viert waren. Den Aufnahmeprozess haben wir diesmal mehr genossen, weil wir völlige kreative Freiheit hatten. Jeder war gleich bemüht, die Songs besser zu machen - anstatt danach zu streben, sein Instrument hervorstechen zu lassen. Eine Band ist kein einfaches Gefüge, vier Persönlichkeiten muss man erst einmal auf einen Punkt bringen. Es gerät schnell in eine Wettbewerbssituation. Wir beide aber müssen uns nichts gegenseitig beweisen."
Für Konzerte wurden recht schnell neue Mitstreiterinnen gefunden, für das Album übernahmen Cosials und Perrote abwechselnd den Bass, Produzent Pete Robertson spielte die Drums ein. Herausgekommen ist das "Exile On Main St" von Hinds, denn wie einst die Rolling Stones nahm man die Songs in einem Haus - oder in diesem Fall in Häusern - in Frankreich auf. Die Frauen packten alles, was sie konnten, in zwei Vans - Gitarren, Bass, Schlagzeug, Pedals, Synthesizer - und richteten mit ihrem Produzenten und dem Grammy-nominierten Toningenieur Tom Roach Studios im Wohnbereich der jeweiligen Location ein. "Es war fantastisch, wir konnten aus dem Fenster den Ozean sehen", schwärmte Cosials. "Viva Hinds" klinge zeitlos, weil man sich während der Aufnahmezeit komplett von Nachrichten und Social Media verabschiedet hatte. "Wir haben uns auf den Moment konzentriert."
Mit "Viva Hinds" steht einer Ausweitung der Hörerschaft nichts im Wege. Für alle, die Hinds bisher nicht kennen und sich in die Alben vertiefen wollen, fasste Perrote zusammen: "Jedes ist eine Momentaufnahme. Unser Debüt sprüht vor Hoffnung, Punk und DIY. Wir wussten gar nicht, was wir taten. Wir sind dann nonstop getourt, was man dem zweiten Album anhört, das wir quasi live einspielten." Für das dritte Album "Prettiest Curse" ging es zum ersten Mal in ein richtig tolles Studio: "Uns standen drei Wochen in New York zur Verfügung und wir konnten viel lernen. Wir waren wie Kinder in einem Zuckerlgeschäft. Wir haben alle zur Verfügung stehenden Zuckerln gegessen und am Ende plagte uns Bauchweh." Schon aus Budgetgründen war das bei "Viva Hinds" nicht der Fall, was dem Ergebnis nicht schlecht tat: Das neue Album fasst Hinds in allen Facetten wunderbar zusammen.
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E - https://hinds.bandcamp.com)
Zusammenfassung
- Die spanische Indiepop-Band Hinds hat ihr neues Album 'Viva Hinds' veröffentlicht, das sie als 'Überlebensalbum' bezeichnen, nachdem sie ihre Rhythmussektion und Konzerteinnahmen durch Covid verloren hatten.
- Carlotta Cosials und Ana Perrote übernahmen den Bass und Produzent Pete Robertson spielte die Drums ein, während die Aufnahmen in Frankreich in mehreren Häusern stattfanden.
- Das Album enthält die bisher dunkelsten Songs der Band, wurde aber in einer ungestörten und kreativen Umgebung aufgenommen und soll die Hörerschaft erweitern.