Grazer Neue Galerie ehrt Gerhard Rühm
Als einen "Monolith der österreichischen Kunst nach 1945" bezeichnete Peter Peer, Leiter der Neuen Galerie am Universalmuseum Joanneum, den Künstler, der seit den 1950er-Jahren sowohl als Zeichner, Collagist, Lyriker, Konzeptualist, Performer, Komponist und Musiker in Erscheinung getreten ist. Als Mitbegründer der Wiener Gruppe trug der gelernte Musiker mit seinen radikalen Sprachexperimenten, die die Worte zerlegten, zu den literarischen Entwicklungen der Nachkriegszeit bei und hat zugleich ein enorm vielfältiges visuelles Werk geschaffen. Als Künstler war Rühm nicht nur jahrelang als Professor tätig, sondern auch in den wichtigsten Museen, zweimal auf der documenta in Kassel (1977 und 1987), sowie bei der Biennale in Venedig vertreten.
Die Neue Galerie hat das Schaffen von Rühm, dessen Werk von einer intensiven Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung, der Kommunikation und Medien geprägt ist, gesammelt und zuletzt in einer großen Retrospektive 2015 präsentiert. Das habe über die Jahre zu einer Verbundenheit geführt, die nun ihren Niederschlag in der Schenkung von rund 1.000 Einzelwerken gefunden hat. "Wir durften aus allen Schaffensperioden frei wählen, und wir haben die Werke ohne jegliche Auflagen geschenkt bekommen", zeigte sich Kurator Roman Grabner, der bereits die Retrospektive vor zehn Jahren gestaltet hat, erfreut.
Schenkung des Künstlers mit Werken aller Perioden
Die großzügige Schenkung und die bereits vorhandenen Bestände haben tatsächlich eine Ausstellung ermöglicht, die die ganze visuelle Breite des Polyartisten zeigt: Beginnend von den frühesten Zeichnungen mit informellem Gestus bis hin zu jüngsten Arbeiten. 1958 hatte Rühm seine erste Ausstellung mit "visueller Poesie" in Wien. Damals gestaltete er beispielsweise eine Typocollage, auf der zwölfmal das Wort "Jetzt" zu lesen war.
Grabner setzte diese Arbeit an den Beginn der aktuellen Ausstellung. "Er ist ein Verfechter des Gegenwartserlebens, der Augenblickserfahrung. Das 'Jetzt' ist einer der zentralen Begriffe in Rühms umfangreichem Ouevre", erklärte der Kurator. Er lässt die Besucher in loser chronologischer Abfolge anhand von wesentlichen Werkgruppen das bildnerische Schaffen des Künstlers erleben: Schreibmaschinenideogramme, Typocollagen und Schriftfrottagen, Bildmaterial aus Zeitungen wird in einen neuen Zusammenhang gebracht. In Collagen kombiniert Rühm Bilder einer "heilen Welt" und dem, worüber man nicht spricht - die Sexualität. Daneben Scherenschnitte aus den 1980ern oder eine Reihe von sogenannten automatischen Zeichnungen, die er in der Dunkelheit gezeichnet hat und so die formalen Ausprägungen des Körpergedächtnisses zu Papier gebracht hat, wie Grabner erklärte.
Eröffnung ohne Künstler, Lesung geplant
In manchem nahm Rühm vorweg, was sich in der Kunst Anfang der 1960er-Jahre in internationalen Strömungen wie Fluxus, Happening oder Conceptual Art manifestierte, so Grabner. Der Künstler selbst war am Donnerstag aus gesundheitlichen Gründen in Graz nicht anwesend, im Laufe der Ausstellung, die bis Anfang Oktober zu sehen ist, plane man aber jedenfalls eine Lesung mit Gerhard Rühm, wurde angekündigt.
Rühms Werke befinden sich im Besitz von wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen vom Stedelijk Museum Amsterdam über das Kölner Museum Ludwig bis zum Museum of Modern Art in New York. Den musikalischen und literarischen Vorlass hat die Österreichische Nationalbibliothek erhalten, das Wiener mumok hat 2022 ein rund 1.500 Arbeiten umfassendes Konvolut geschenkt bekommen.
(S E R V I C E - www.museum-joanneum.at/neue-galerie-graz)
Zusammenfassung
- Gerhard Rühm, eine Schlüsselfigur der österreichischen Nachkriegsavantgarde, hat der Neuen Galerie am Universalmuseum Joanneum zu seinem 95. Geburtstag rund 1.000 Werke geschenkt.
- Die Ausstellung 'gerhard rühm. noch immer jetzt' zeigt Arbeiten aus allen Schaffensperioden des Künstlers, von frühen Zeichnungen bis zu jüngsten Werken, und betont den zentralen Begriff 'Jetzt'.
- Rühms Werke sind international anerkannt und befinden sich in bedeutenden Sammlungen wie dem Museum of Modern Art in New York und dem mumok in Wien.