Orozco-Estrada ist nicht mehr Chefdirigent der Symphoniker
Grund seien "lang anhaltende und unüberwindbare Differenzen mit dem Intendanten des Orchesters, die trotz kontinuierlicher Versuche nicht aus dem Weg geräumt werden konnten". Er hatte die Position seit der Saison 2020/2021 inne, der bis Mitte 2025 laufende Vertrag wäre nicht verlängert worden.
"Keine gemeinsame Basis"
Orchester und Dirigent sehen der Mitteilung zufolge "keine weitere gemeinsame künstlerische Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit". Gleichzeitig drückte der Dirigent seine Dankbarkeit "für die bis jetzt gemeinsam erlebten Momente und das Vertrauen der Stadt Wien" aus. Den Wiener Symphonikern wünschte der 44-Jährige für die zukünftige Arbeit alles Gute.
Der Rücktritt sei eine Folge dessen, dass der Vertrag von Orozco-Estrada nicht über die Spielzeit 2024/25 verlängert wurde, hielten wiederum die Wiener Symphoniker in einer Reaktion fest. Das sei kürzlich vom Orchester beschlossen worden. Den Rücktritt Orozco-Estradas bedauere man "außerordentlich", betonte Intendant Jan Nast. Man hätte "die Zusammenarbeit gern bis zum Ende seiner offiziellen Amtszeit fortgesetzt. Gemeinsam mit ihm hatten wir bereits großartige Projekte entwickelt und geplant."
Künstler gegen Verlängerung
Die Musikerinnen und Musiker der Orchesterversammlung hätten sich Ende März gemäß den Statuten gegen eine Vertragsverlängerung ausgesprochen, dieser Entscheidung seien Nast sowie Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gefolgt. "Wir werden als Orchester nun in Ruhe überlegen, wie wir mit den geplanten Konzerten mit Andrés Orozco-Estrada umgehen", so Nast weiters.
Die von Orozco-Estrada angeführten Differenzen stellte der Symphoniker-Intendant indes in Abrede. "Da wir in den letzten Jahren konstruktiv mit vielen Dirigentinnen und Dirigenten zusammengearbeitet haben, werden die kommenden Konzerte - besonders 'Frühling in Wien' - wie geplant stattfinden. Ich bedauere sehr, dass Andrés Orozco-Estrada sein Orchester so kurz entschlossen verlässt."
"Wir haben Zeit"
Was die Nachfolge von Orozco-Estrada als Chefdirigent und künstlerischer Leiter betrifft, meinte Nast auf APA-Nachfrage: "Wir haben Zeit. Man muss zuerst den Markt sondieren. Es ist wichtig, dass es eine Beziehung zwischen Orchester und Dirigent gibt, das muss eine große Verliebtheit sein." Diesen Prozess dürfe man "nicht forcieren". Ob eine Entscheidung nächstes oder übernächstes Jahr getroffen werde, könne er aktuell noch nicht sagen. "Es ist jedenfalls eine Entscheidung mit dem Orchester."
Kritik wegen Corona-Hilfe
Geboren wurde Andrés Orozco-Estrada am 14. Dezember 1977 im kolumbianischen Medellin. 1997 kam er zum Studium nach Wien, nach seinem Abschluss sammelte der junge Dirigent schnell Erfahrung mit der Führung großer Orchester und stand von 2005 bis 2009 dem Grazer recreation vor, bevor er 2009 den Posten des Chefdirigenten beim Tonkünstlerorchester Niederösterreich antrat.
Der internationale Karrieresprung erfolgte dann 2014, als der damals 37-Jährige Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters in Frankfurt und des Houston Symphony Orchestra wurde. Am Pult der Symphoniker debütierte Orozco-Estrada 2006, bevor er schließlich zum Nachfolger von Philippe Jordan als Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Symphoniker bestellt wurde. Dieses Engagement hat nun ein vorzeitiges Ende gefunden.
Im Vorjahr hatte es Kritik an Corona-Finanzhilfen für Orozco-Estrada gegeben. Dazu hatte er festgehalten, dass er "wie jeder andere Veranstalter und freischaffende Künstler auch" um Unterstützung angesucht habe. Die Höhe von 211.000 Euro habe sich nach seinen Einkünften 2019 gerichtet, er habe darauf keinen Einfluss gehabt. Von Behördenseite sei ihm zugesichert worden, alles richtig gemacht zu haben. Über die daraus entstandene Diskussion hatte er sich "traurig und enttäuscht" gezeigt.
Zusammenfassung
- Der kolumbianische Dirigent Andrés Orozco-Estrada tritt mit sofortiger Wirkung als Chefdirigent der Wiener Symphoniker zurück.
- Den Wiener Symphonikern wünschte der 44-Jährige für die zukünftige Arbeit alles Gute.
- Den Rücktritt Orozco-Estradas bedauere man "außerordentlich", betonte Intendant Jan Nast.
- "Wir werden als Orchester nun in Ruhe überlegen, wie wir mit den geplanten Konzerten mit Andrés Orozco-Estrada umgehen", so Nast weiters.