VdB-Gespräche
Kogler: Bevölkerung muss "Kaiser Kickl nackt" sehen
Neuwahlen, Expertenregierung, Minderheitsregierung oder doch noch eine Regierungsmehrheit unter den gewählten Parteien - diese Optionen führte Bundespräsident Alexander Van der Bellen an, nachdem zuvor die FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen endgültig gescheitert waren.
Van der Bellen kündigte an, mit den führenden Parteipolitiker:innen Gespräche zu führen, um die verschiedenen politischen Varianten auszuloten. Am Donnerstag traf als erste der Politiker:innen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der Hofburg ein, rund eine Stunde hatte sie ein "ernsthaftes Gespräch" mit dem Bundespräsidenten, sagte sie danach.
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"Kaiser Kickl nackt"
Deutlich schärfer äußerte sich zu Mittag Grünen-Chef Werner Kogler bei seinem Eintreffen in der Hofburg. Es sei "gut, wenn die Bevölkerung sieht, dass Kaiser Kickl nackt ist. Ich sag' das ohne Häme. Ganz wichtig ist, dass alle die, die FPÖ gewählt haben, Verständnis kriegen, dass Kompromiss wichtig ist", sagte er. Das hätten die gescheiterten Koalitionsverhandlungen gezeigt.
Er sehe nun eine Chance auf eine "pro-europäische Regierung". Dabei komme es vor allem auf die ÖVP und SPÖ an, denn ohne die beiden gebe es keine Mehrheit im Nationalrat. Das betonte er auch nach dem Treffen, das etwas mehr als eine Stunde dauerte. Jetzt solle "das große Gemeinsame" in den Vordergrund gestellt werden, die "ÖVP ist gefordert, auf die SPÖ zuzugehen", so Kogler.
Am Nachmittag bedankte sich Kogler via "X" bei Van der Bellen für "das vertrauensvolle Gespräch". Er betonte, dass Österreich nun "die Fähigkeit und Bereitschaft zum Kompromiss" benötige. "Wenn es um die Verteidigung Europas und der 2. Republik geht, haben wir viel mehr Gemeinsames als Trennendes!", so der Grünen-Chef.
https://twitter.com/WKogler/status/1890045136333406339
Stocker und Babler zurückhaltend
ÖVP-Chef Christian Stocker hielt sich vor seinem Gespräch bedeckt. Er erläuterte nur erneut die Rahmenbedingungen: "Herbert Kickl hat seinen Regierungsbildungsauftrag zurückgegeben, weil er ihn nicht erfüllen konnte. Der Bundespräsident hat heute zu Gesprächen eingeladen. Es geht darum, für die Zukunft von diesem Land aus dieser sehr schwierigen Situation herauszufinden und eine gute Lösung zu finden."
SPÖ-Chef Andreas Babler betonte vor seinem Termin in der Hofburg, dass er sich ein "gutes Gespräch" mit dem Bundespräsidenten erwarte. Es gehe darum, rasch für stabile Verhältnisse zu sorgen. Das erwarte sich nicht nur das Land, sondern auch er selbst.
Vor seinem Termin beim Bundespräsidenten gab Babler in einer Pressekonferenz bekannt, dass die SPÖ bereits ein Verhandlungsteam für die bevorstehenden Gespräche nominiert hat.
Babler sprach sich zudem gegen Neuwahlen aus. Ein monatelanger Wahlkampf sei nicht begrüßenswert, betonte der SPÖ-Chef.
Keine "Vergangenheitsaufarbeitung"
Zuvor hatte Meinl-Reisinger schon erklärt, man wolle nun "in die Zukunft schauen", eine "Vergangenheitsaufarbeitung" sei erst einmal nachrangig. "Faktum ist, Herbert Kickl ist gescheitert mit seinem Anspruch, eine Regierung zu bilden, sich aufzuschwingen, selber Kanzler zu sein. Ich habe in den letzten Tagen schon auch selber viele Optionen aufgezeigt, das sind auch Optionen, die der Bundespräsident gestern angesprochen hat", sagte sie vor dem Termin mit dem Bundespräsidenten.
"Ich habe zu allen Varianten gesagt, dass wir jedenfalls dazu bereit sind, konstruktiv im Sinne einer staatspolitischen Verantwortung jetzt zu schauen, dass die Bevölkerung rasch eine Regierung bekommt", betonte sie erneut.
Video: Meinl-Reisinger vor VdB-Treffen
Verhandlungen auch mit Babler?
Sie sei in Kontakt mit Parteivorsitzenden der ÖVP und SPÖ. Man werde die verschiedenen Varianten nun besprechen. Auf die Frage, ob die Gespräche auch mit SPÖ-Chef Andreas Babler möglich seien, sagte Meinl-Reisinger nur: "Ich stehe mit ihm in Kontakt."
Im Laufe des Tages wird auch noch SPÖ-Chef Andreas Babler bei Van der Bellen erwartet. Er hat zuvor noch ein Presse-Statement für 15.30 Uhr angekündigt.
Van der Bellen bleibt mit Parteiobleuten "in engem Austausch"
Nach Abschluss des Gesprächsreigens richtete Van der Bellen den Parteiobleuten in einem Statement seinen Dank für die Gespräche aus: "Sie haben in konstruktiver und vertrauensvoller Atmosphäre stattgefunden."
Die Präsidentschaftskanzlei erklärte zudem, dass Van der Bellen auch in den kommenden Tagen mit den Gesprächspartnern in engem Austausch bleiben werde. "Allen ist klar, dass nun rasch und verantwortungsvoll gehandelt werden muss", hieß es dazu.
Zusammenfassung
- Nach dem Scheitern der blau-türkisen Koalitionsverhandlungen werden am Donnerstag alle Parteispitzen außer FPÖ-Chef Herbert Kickl bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorstellig.
- Den Anfang machte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, es folgte Grünen-Chef Werner Kogler. Der schoss direkt gegen Kickl.
- ÖVP-Chef Christian Stocker hielt sich vor seinem Treffen bedeckt.
- Zum Abschluss des Gesprächsreigens traf SPÖ-Chef Andreas Babler in der Hofburg ein.