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Olga Flor schrieb "Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang"

Heute, 12:35 · Lesedauer 4 min

Untergangsszenarien sind mittlerweile künstlerischer Alltag. Soeben ist in der ARD Mediathek die Serie "Families Like Ours - Nur mit Euch" angelaufen, in der Thomas Vinterberg Dänemark durch den Anstieg der Meere untergehen und die Dänen zu Flüchtlingen werden lässt. "Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang" nennt die Österreicherin Olga Flor ihren neuen Roman, in dem sie sich einen weiteren Schrecken ausdenkt: Nicht nur das Klima kippt, der ganze Planet gerät in Schieflage.

Die 57-jährige Wienerin Olga Flor, die sich mit Büchern wie "Kollateralschaden", "Die Königin ist tot", "Klartraum" oder "Morituri" als eine der originellsten Stimmen der österreichischen Gegenwartsliteratur etabliert hat, stellt ein abenteuerlich klingendes Szenario an den Anfang ihres Buches, das sie am Donnerstag in der Alten Schmiede in Wien vorstellt: Durch ungebremste und unbedachte Ausbeutung von Lagerstätten ergibt sich "eine Unwucht globalen Ausmaßes": "Anders gesagt: Mit einem Mal hatte die Erde eine Beule." Diese verändert den Lauf des Planeten, bringt die Erde ins Eiern und Torkeln und den geordneten Ablauf von Tag und Nacht sowie der Jahreszeiten durcheinander. "Dabei wurde ziemlich deutlich, dass das mit der Weltaneignung durch den Menschen als gescheitertes Experiment betrachtet werden musste."

Das klingt alles ziemlich crazy, doch darauf muss man sich einlassen, wenn man etwas von dem Buch haben will. Flor interessiert sich weniger für die naturwissenschaftlichen als für die psychologischen Aspekte des Ausnahmezustands. Die Menschheit eignet sich zwischen Hochwässern und Feuerstürmen eine nomadische Lebensweise an, folgt den noch halbwegs erträglichen, aber ständig ihre geografische Lage verändernden Zwischenzonen, in denen Zivilisation und Handel weiterhin einigermaßen geordnet möglich sind, während in den rasch entstehenden weiten Wüstenlandschaften zunehmend Anarchie und umherziehende Banden die Herrschaft übernehmen. Wie gefährlich es ist, alleine unterwegs zu sein, das muss auch Flors Protagonistin Armanda erfahren.

"Armanda war Bewohnerin einer geographisch und klimatisch begünstigten Landzunge gewesen, auch so eine Gewissheit, die sich beim Hinsehen verflüchtigte: das Privileg, auf dem richtigen Teil der Erdoberfläche zuhause zu sein", heißt es in dem immer wieder leicht ironischen Tonfall, den Flor anschlägt, um die selbst verschuldete Menschheitskatastrophe zu fassen. "Und da dieser Teil samt der Nordhalbkugel nun in die Nacht gefallen war, folgte die frisch und durchaus nicht unglücklich geschiedene Armanda ein wenig zeitverzögert der Masse, die in Richtung Äquator unterwegs war, so gut ausgerüstet, wie sie das eben geschafft hatte." Armandas lange Reise aus der Nacht gemahnt in seinen Begleiterscheinungen an ähnlich düstere Szenarien von Cormac McCarthy ("Die Straße") oder Christoph Ransmayr ("Der Fallmeister", "Morbus Kitahara"). Dabei hat sie ein Ziel: Sie möchte ihre Tochter Nora wiederfinden, die als Forscherin in einem unterirdischen Labor an der Wiederherstellung des normalen Laufs der Welt arbeitet und über das weiterhin zumindest zeitweise vorhandene Handy-Netz rätselhafte Botschaften, aber auch ihre GPS-Koordinaten sendet.

"Strategien speziesübergreifender Kooperation"

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch", wusste schon Hölderlin. Auch Flor beschreibt neben der zunehmenden Verrohung der Menschen auch Ansätze zu Solidarität, die Bildung neuer Gemeinschaften und Religionen. Hier ist wenigstens in Anflügen von Humor ein wenig von dem eingelöst, was der Roman im Titel verspricht: der "fröhliche Untergang". Am originellsten lesen sich dabei "Strategien speziesübergreifender Kooperation", bei denen Pilze, Flechten und Pilzgeflechte zum Freund des Menschen werden und neugierige Oktopusse an Land gehen. Ein Oktopus wird zu Armandas Reisebegleiter und seine Eigenschaft, Emotionen und Reaktionen in den unterschiedlichsten Farben auszudrücken, sorgt für manche Pointe - etwa, wenn der Oktopus "auf ihrem Kopf saß und in schwarz-weißen Spiralmustern versuchte, Haare zu imitieren".

Längst weiß man da nicht so recht: Wohin soll das führen? Zu neuen Ansätzen von Frauensolidarität. Zur Wiederbegegnung von Mutter und Tochter. Zu einer Geburt, bei der der Oktopus allen Ernstes Geburtshelfer ist und dann die nahrhafte Nachgeburt verspeist. Und zu einer trotz aller "speziesübergreifenden" Hilfe für die Menschheit bitteren Erkenntnis: "Die Zeit dieser Spezies ist abgelaufen."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Olga Flor: "Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang", Jung und Jung Verlag, 160 Seiten, 20 Euro, Buchpremiere am 27.2., 20 Uhr, Alte Schmiede, Wien 1, Schönlaterngasse 9)

Zusammenfassung
  • Olga Flors neuer Roman 'Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang' beschreibt eine Welt, in der die Erde durch Ausbeutung aus dem Gleichgewicht gerät und die Menschheit eine nomadische Lebensweise annimmt.
  • Die Protagonistin Armanda, die aus einer begünstigten Region stammt, begibt sich auf die Suche nach ihrer Tochter Nora, während sie von einem Oktopus begleitet wird, der für humorvolle Momente sorgt.
  • Das Buch wird am 27. Februar in Wien vorgestellt, umfasst 160 Seiten und kostet 20 Euro.