Österreichische Exilbibliothek zeigt Jubiläumsausstellung
"Ohne Scholten würde es die Exilbibliothek wohl nicht geben", sagt Veronika Zwerger beim Vorab-Rundgang mit der APA. Sie hat 2016 die Leitung der Österreichischen Exilbibliothek (ÖEB) von der Gründungsdirektorin Ursula Seeber übernommen. Der damalige Kulturminister setzte 1993 das Konzept des Germanisten Klaus Amann um, Leben und Arbeit österreichischer Autoren und Künstler in Exil und Emigration zu dokumentieren, das dieser bei der Eröffnung der von Seeber konzipierten Ausstellung "Die Zeit gibt die Bilder. Schriftsteller, die Österreich zur Heimat hatten" 1992 vorgestellt hatte.
Heute umfasst die ÖEB, die in ihren ersten drei Jahrzehnten auch mehr als 250 Veranstaltungen, rund 40 Ausstellungen und über 50 Publikationen verantwortet hat, mehr als 9.000 Bände Fachliteratur, eine 7.000 Personen umfassende bio-bibliografische Datenbank, eine umfangreiche Foto-, Audio- und Videosammlung sowie Handschriften und Nachlässe zu rund 150 Personen. Zu den jüngsten Übernahmen gehört der Vorlass von Georg Stefan Troller und der Nachlass von Maria Lazar, der viele Jahre in Truhen in einem Wohnzimmer in Nottingham aufbewahrt wurde.
Kathleen Dunmore, die Enkelin von Maria Lazar, hat das 1948 in Schweden entstandene Manuskriptblatt des Gedichts "Emigrantenkorrespondenz" ihrer Großmutter für die Ausstellung ausgesucht, Troller entschied sich selbst für ein Blatt mit dem Stammbaum seiner Familie und erläutert diesen im Audiomitschnitt eines Gesprächs mit Zwerger gleich selbst. Er ist die Ausnahme, denn ansonsten wurden Nachkommen, Autorenkollegen oder Wissenschafterinnen gebeten, sich der Aufgabe der Objektauswahl zu unterziehen. "Manche sind eine Woche hier gesessen und haben sich durch Archivschachteln gekämpft, andere haben uns gebeten, eine Vorauswahl zu treffen und sich dann sehr rasch entschieden", schildert Zwerger.
Tatsächlich hütet die ÖED keineswegs nur Bücher und Manuskripte. Die Diversität der Sammlung zu zeigen war eines der Anliegen der Jubiläumsschau. Von Autor Jakov Lind (1927-2007) ist etwa ein Aquarell zu sehen, von Autorin Mimi Grossberg (1905-1997) hat Barbara Staudinger, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, einen roten Haarfilzhut ausgewählt, aus dem Bestand von Hanna Kuh (1913-1995) gibt es 1938 in Wien gehäkelte Bettsocken, von der Kunsthistorikerin Hilde Zaloscer (1903-1999) ist ihre Schreibmaschine mit eingespanntem letzten Blatt zu sehen. Der US-Musikwissenschafter Casey J. Hayes zeigt auf einem Tablet, wie er das Notizbuch des Kabarettisten und Autors Oscar Teller (1902-1985) als Fundgrube zu Wiens Kabarettgeschichte verwendet hat.
Die Beiträge in der auch von einem Katalog begleiteten Ausstellung stammen u.a. von den Autoren Erich Hackl, Doron Rabinovici, Ann Cotten, Vladimir Vertlib und Barbara Zeman. Zu den vor den Vorhang geholten Persönlichkeiten zählen Weltautor Stefan Zweig und der bedeutende Fotograf und Kameramann Wolf Suschitzky ebenso wie Henriette Mandl, geborene Reich (1928-2015), und Kurt Weinberg (1924-1994). "Wir haben viele Unbekannte in unseren Beständen", sagt Veronika Zwerger. Auch durch Recherchearbeiten von Wissenschafterinnen und Wissenschafter in der ÖEB sind viele der in den 1930er-Jahren Geflüchteten in den vergangenen Jahren aus der Vergessenheit geholt worden.
(S E R V I C E - "Die Erinnerung wohnt in allen Dingen", Ausstellung anlässlich 30 Jahre Österreichische Exilbibliothek, Literaturhaus Wien, Eingang Zieglergasse 26A, 13. September 2023 bis 1. Februar 2024, Mo-Do: 9.00-17.00 Uhr (Sept. Do. geschlossen), Katalog: 144 Seiten, 24 Euro, www.literaturhaus.at )
Zusammenfassung
- "Die Erinnerung wohnt in allen Dingen" ist bis 1. Februar 2024 im Literaturhaus Wien zu sehen.
- Die Diversität der Sammlung zu zeigen war eines der Anliegen der Jubiläumsschau.