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"Mythos" vom Pfeifen hoher Töne im Operngesang widerlegt

Die höchsten Töne, die von Opernsängerinnen angeschlagen werden, können mitunter wie Pfeiftöne klingen. Deswegen wurde mancherorts angenommen, dass sie durch einen ähnlichen Mechanismus wie von Ratten und Mäusen im Ultraschallbereich gepfiffene Töne erzeugt werden, sagte Stimmforscher Christian Herbst zur APA. Die Annahme dieser "Pfeif-Stimmregister" widerlegt nun eine Studie von der Universität Wien und Ludwig-Maximilians-Universität München im Journal "Scientific Reports".

"Wenn wir reden, vibrieren die Stimmlippen im Kehlkopf mit einer Frequenz von ungefähr 100- bis 200-mal pro Sekunde. Beim Pfeifen würde im Gegensatz dazu nur die Luft in Schwingung versetzt werden", erklärte Herbst, der auch Seniorautor der Studie ist. Historisch gab es laut dem Forschenden Grund zur Annahme, dass etwa die extrem hohen Tonlagen der Königin der Nacht in Mozarts "Zauberflöte" ohne eine Bewegung der Stimmlippen erzeugt werden - zumal andere Säugetiere wie Ratten und Mäuse anhand von Ultraschallstimmerzeugung in einem für den Menschen nicht hörbaren Bereich pfeifen können.

Um das Phänomen zu untersuchen, machte das internationale Forscherteam um Herbst Videoaufnahmen vom Kehlkopf neun professioneller Opernsängerinnen mit einer Bildwiederholrate von 20.000 Bildern pro Sekunde. Die Sängerinnen haben dabei eine Tonfolge bis zum dreigestrichenen G gesungen, also einen Ganzton höher als den höchsten Ton der Königin der Nacht. Das Ergebnis: Die hohe Stimme beruht auf demselben Prinzip wie das Sprechen oder der Gesang tieferer Töne. Das heißt, dass die Stimmlippen im Kehlkopf exakt mit der Frequenz des erzeugten Tones, je nach gesungener Tonhöhe 1.000- bis 1.600-mal pro Sekunde, vibrieren und kollidieren.

"Dies deckt einen seit langem bestehenden Mythos der Gesangspädagogik auf", so Herbst. "Es gab zwar schon davor Studien, die ein ähnliches Ergebnis angedeutet haben - wir konnten es nun mit einer größeren Kohorte an Probandinnen und ausreichenden technologischen Methoden zeigen." Möglich sei das Erreichen dieser extremen Klänge mit einem recht gewöhnlichen Stimmerzeugungsmechanismus laut dem Forscher nur wegen der hervorragenden muskulären Feinbeherrschung des Gesangsinstruments durch die Sängerinnen.

Im Rahmen der Studie durchgeführte Simulationen mit einem Computermodell weisen zudem darauf hin, dass zwei wesentliche Faktoren bei den hohen Tönen eine Rolle spielen: stark erhöhte Spannung der Stimmlippen und sehr hoher Ausatmungsluftdruck. "Es ist wirklich erstaunlich, wie manche Sängerinnen die erforderlichen extrem hohen Spannungen in ihren Stimmlippen erzeugen können, ohne gesundheitliche Probleme für die Stimme zu erleiden. Warum dies manchen Sängerinnen in diesen hohen Stimmlagen gelingt und anderen nicht, muss vorerst offenbleiben", wird Erstautor Matthias Echternach zudem in einer Presseaussendung zitiert.

(S E R V I C E - https://www.nature.com/articles/s41598-024-62598-8)

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Studie der Universität Wien und Ludwig-Maximilians-Universität München widerlegt den Mythos, dass hohe Töne im Operngesang durch einen Pfeifmechanismus erzeugt werden.
  • Videoaufnahmen zeigten, dass die Stimmlippen bei hohen Tönen 1.000- bis 1.600-mal pro Sekunde vibrieren, ähnlich wie bei tieferen Tönen.
  • Zwei wesentliche Faktoren für die Erzeugung hoher Töne sind die erhöhte Spannung der Stimmlippen und ein hoher Ausatmungsluftdruck.