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Michael Armitage im Kunsthaus Bregenz

Mit dem britisch-kenianischen Künstler Michael Armitage zieht für diesen Sommer einer der großen malerischen Erzähler der Gegenwart ins Kunsthaus Bregenz (KUB) ein. Seine großformatigen sozialkritischen Werke, die europäische und afrikanische Kunstgeschichte mit der heutigen Realität verbinden, erhalten in Bregenz gebührend Luft und Licht, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Die Schau "Pathos and the Twilight of the Idle" ist von 15. Juli bis 29. Oktober geöffnet.

Auf drei Stockwerken verteilen sich 15 Skizzen und 17 farbenprächtige Ölgemälde des gefragten Malers. Statt Leinwand nutzt der Künstler vernähtes Lubugo-Rindentuch als Malgrund, samt Nähten und Löchern, die den Bildern reliefartig Narben und Male verleihen. Armitage setzt aktuelle afrikanische Sujets in Erdtönen und Neonfarben mit europäischen Kunsttechniken und voller Anspielungen auf große Meister wie Goya, Degas oder Gauguin um. Er verwendet Motive abendländischer Kunst ebenso wie Bilder und Videos auf Social Media. Große Träume und Erwartungen steigen bei ihm aus dem Elend, aus dem Lebensalltag auf, abgebildet in brutaler Schönheit. Er arbeitet dazu mit Gegensätzen: So wechseln einander grelle und sanfte Farben, detaillierte Gesichter und schemenhafte Figuren, Schärfen und Unschärfen, innere und äußere Bilder ab. Aus der Überlagerung spiegelt Armitage den kolonialen Blick westlicher Betrachter auf afrikanische Gesellschaften, Mythen, Geschichte und Gegenwart zurück.

Im ersten Obergeschoß stehe die Beziehung politischer Führer zu ihren Anhängern im Zentrum, so Armitage bei der Presseführung am Donnerstag. "Pathos and the twilight of the idle" (2019) mutet durch sein hochkantes Format und eine auf den Betrachtenden zuschreitende Figur - ein verkleideter Demonstrant bei einer Kundgebung einer kenianischen Oppositionspartei 2017 - wie ein Altarbild an. Ebenfalls infolge einer politischen Versammlung entstand "The Fourth Estate" (2017), das in träumerischen Lilatönen und mit surrealen Elementen Demonstranten auf einem Baum zeigt. "Dandora (Xala, Musicians)" (2022) bildet traditionelle Musiker ab. Erst auf den zweiten Blick erfasst man die giftig rauchende Mülldeponie im Hintergrund, die das bäuerliche Dorf als Lebensgrundlage ersetzt hat. Entnommen ist das Motiv einem Film von Ousmane Sembene, der 1975 die Korruption der Regierungen anprangerte.

Den Frauen ist das zweite Obergeschoß gewidmet. Armitage stellt die mythische Erhöhung, wie im in "Warigia" (2022) gezeigten kenianischen Gründungsmythos, der Dämonisierung von Frauen gegenüber: "Conjeistina" (2017) zeigt die gleichnamige kenianische Boxerin, die erst als Nationalheldin verehrt, dann aufgrund einer psychischen Erkrankung medial gehetzt und als Hexe verfolgt wurde. "Exorcism" (2017) zeigt eine Teufelsaustreibung in Tansania, der blutrote Baum in "Strange Fruit" (2016) erzählt von Lynchmorden und Rassismus. Die jüngsten Bilder der Schau finden sich im dritten Obergeschoss, dort stellt Armitage den Umgang des Menschen mit seinesgleichen, Tieren und der Natur aus postkolonialem Blickwinkel zur Diskussion, auch hier religiös aufgeladen. So nimmt man etwa in "Amongst the Living" (2022) die Perspektive eines Opferhammels ein, in "Witness" (2022) jene eines in Gefangenschaft träumenden Affens. Im vielschichtigen "Three Boys at Dawn" (2022) verarbeitete der Maler Begegnungen mit Straßenjungen, die von Klebstoffdämpfen betäubt vom schönen Leben träumen.

Dem Kunsthaus sei zur Bregenzer "Primetime" diesmal "etwas ganz Großartiges gelungen", so KUB-Direktor Thomas D. Trummer mit durchaus angebrachtem Selbstlob. Gemäldeausstellungen seien im KUB eigentlich nicht üblich, "das ist es aber wert", so Trummer über Armitages "Historienbilder der Gegenwart", die die Aufmerksamkeit des Betrachters ganz zu absorbieren vermögen. "Die Bilder werden für mich jeden Tag besser", betonte er. Armitage erreiche in seinen Bildern die Qualität der Meister. Die Schau ist laut KUB die erste umfassende Präsentation des 1984 in Nairobi geborenen Künstlers in Österreich. Armitage ist es ein großes Anliegen, die zeitgenössische Kunst Ostafrikas zu fördern, dazu baut er derzeit das 2020 gegründete "Nairobi Contemporary Art Institute" auf.

Im Erdgeschoß präsentiert das KUB während der Sommermonate übrigens Arbeiten von Österreichs nächster Biennale-Teilnehmerin Anna Jermolaewa. Mehrere ihrer Hauptwerke befinden sich in der KUB-Sammlung. In Bregenz zeigt die 1970 in St. Petersburg geborene Künstlerin, die 1989 als russische Dissidentin nach Österreich kam, die Installation "Chernobyl Safari (2014/23), "Famous Pigeons" (2021) und die erstmals in Österreich ausgestellte Arbeit "Dining Room" (2017).

(S E R V I C E - Ausstellung "Pathos and the Twilight of the Idle" von Michael Armitage von 15. Juli bis 29. Oktober, www.kunsthaus-bregenz.at, Eröffnung am 14. Juli, 19 Uhr)

ribbon Zusammenfassung
  • Mit dem britisch-kenianischen Künstler Michael Armitage zieht für diesen Sommer einer der großen malerischen Erzähler der Gegenwart ins Kunsthaus Bregenz (KUB) ein.
  • Die Schau "Pathos and the Twilight of the Idle" ist von 15. Juli bis 29. Oktober geöffnet.
  • "Die Bilder werden für mich jeden Tag besser", betonte er.
  • Die Schau ist laut KUB die erste umfassende Präsentation des 1984 in Nairobi geborenen Künstlers in Österreich.