APA/Alex Gotter

"Medea-Ding": "Blackout"-Uraufführung im Werk X-Petersplatz

Sie "kochen.mit.wasser". So nennt sich das von Carina Werthmüller und Peter Pertusini gegründete Theaterkollektiv, das am Donnerstag im Werk X-Petersplatz seine zweite abendfüllende Stückentwicklung vorstellte. Vier Personen erinnern sich in "Blackout" an ihre Schulzeit und an Konrad, einen ehemaligen Klassenkameraden. Alles wirkt wie ein auf die Bühne gebrachtes Klassentreffen, da fällt nach einer halben Stunde erstmals ein irritierender Begriff: "das schreckliche Ereignis".

"Blackout" ist nicht eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit eines europaweiten verheerenden Stromausfalls, sondern mit einem kurzen psychischen Aussetzer mit tödlichen Folgen. "Vor einigen Jahren habe ich realisiert, dass in meiner eigenen Geschichte einige Jahre fehlen. Ich habe begonnen, danach zu suchen. Und danach, warum das so ist. Und plötzlich war dieser Abgrund da, mitten in der Wiener Vorstadt", sagt Pertusini über das von ihm inszenierte Stück, in dem er auch selbst mitspielt. "Ich musste feststellen, dass ein Mensch - mein erster wichtiger Theaterkollege - aus unserer, aus meiner Erinnerung verdrängt worden war."

Es geht also um die Rekonstruktion einer Vorgeschichte und die Fragen "Warum?" und "Wäre das zu verhindern gewesen?" - wichtige Etappen von Trauerarbeit. Die Tat selbst schält sich erst ganz allmählich in diesem rund 70-minütigen Stück heraus. Krimiartig wird immer stärker der Verdacht geschürt, mit Konrads Mutter habe etwas "nicht gestimmt". Die Alleinerzieherin ist in ihrer Umgebung durch seltsames Verhalten auffällig geworden, hat sich anderen aufgedrängt, war unberechenbar und zeigte Züge von Schizophrenie. Den Endpunkt, "die Tragödie", "dieses Medea-Ding", erfahren die Mitschüler aus der Zeitung: Bei einem Wohnungsbrand stößt die Feuerwehr auf die Leiche eines Buben, dem die Kehle durchgeschnitten wurde. Wohl ein "erweiterter Suizid". Die Mutter jedoch, die Mörderin, findet dank beherzten Eingreifens der Rettungskräfte nicht den von ihr gesuchten Tod.

Erzählt wird diese Geschichte fragmentarisch. Der nach "Gesprächen mit Zeitzeug:innen" entstandene Text orientiert sich am abgehackten, sprunghaften Sprechduktus aufgeregter Menschen. Es sind vor allem Informationen, die das Darsteller-Quartett (neben Werthmüller und Pertusini spielen Sonja Romei und Sebastian Pass) dem Zuschauer geben, kaum Situationen und Dialoge, die ein Eigenleben auf der Bühne gewinnen. Die Form der "inszenierten Studie" greife bewusst naiv die "damalige Schultheatersituation" auf, heißt es dazu.

Es gibt einen Esstisch und einen Fauteuil. Und es gibt Video, unverzichtbarer Bestandteil postdramatischer Stückentwicklungen. Die "Visuals von Claudia Dimoiu auf Basis von Fotografien von Simona Reisch", die Doppelung und Vergrößerung der Akteure im Videobild und die nur spärlich eingesetzten Kamera-Aufnahmen aus einem am Technik-Tisch aufgebauten Puppenhaus sorgen für eine gewisse künstliche Distanz. Am Ende freilich weiß man über die Hintergründe der Tat allerdings nur wenig mehr als über den Spitz von Thomas Brezina. Der immerhin sorgt dafür, dass es in "Blackout" auch etwas zu lachen gibt. Herzlicher Applaus am Ende. Und: Blackout.

(S E R V I C E - "Blackout", eine Stückentwicklung von kochen.mit.wasser, Regie: Peter Pertusini, Fotos, Projektionen: Simona Reisch, Video/Visuelle Einrichtung: Claudia Virginia Dimoiu, Musik: Sebastian Watzinger aka MIRAC, Rap: Moritz Höllering. Mit: Sonja Romei, Carina Werthmüller, Sebastian Pass, Peter Pertusini. Uraufführung im Werk X-Petersplatz, Wien 1, Petersplatz 1, Weitere Termine: 2., 3., 7., 8., 9. April, 19.30 Uhr. Karten: 01 / 962 61 10-15, www.werk-x.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Sie "kochen.mit.wasser".
  • So nennt sich das von Carina Werthmüller und Peter Pertusini gegründete Theaterkollektiv, das am Donnerstag im Werk X-Petersplatz seine zweite abendfüllende Stückentwicklung vorstellte.
  • Vier Personen erinnern sich in "Blackout" an ihre Schulzeit und an Konrad, einen ehemaligen Klassenkameraden.
  • Der immerhin sorgt dafür, dass es in "Blackout" auch etwas zu lachen gibt.
  • Herzlicher Applaus am Ende. Und: Blackout.