KI-Kunststar reinterpretiert Gehrys Guggenheim Bilbao
Refik Anadol hat eine Art digitale Neuinterpretation von Gehrys architektonischem Meisterwerk vorgenommen. Es sei "eines der wohl unglaublichsten Gebäude der Welt, welches ich auf meine Art weiterdenke und lebendig mache", erklärt der 1985 in Istanbul geborene amerikanische Künstler, der als heute als einer der großen KI-Kunstpioniere gilt. Anadol vermittelt das Gefühl, mitten in einer gigantischen Techno-Lavalampe zu stehen, deren hypnotische Wirkung durch die gewaltige Dimension der Projektionsfläche von 1.150 Quadratmetern um ein Vielfaches erhöht wird. 16 Meter sind die Wände hoch, die den in der Mitte des dunklen Ausstellungsraums stehenden Besucher von allen Seiten umströmen. Plötzlich brechen die Farbwellen in sich zusammen und machen Platz für lineare Strukturen. Man schwebt durch eine Art digitalen Bauplan in schwarz-weiß, der sich nach und nach in konkrete, futuristische Architektur transformiert. Und schnell wird jedem Besucher klar, dass er im Strom dieser digitalen Installation wieder im Jetzt und Heute angekommen ist.
Schon seit Jahren arbeitet Anadol eng mit Unternehmen wie Google, Microsoft, Nvidia und sogar der NASA zusammen, um seine Kunstwerke mit künstlicher Intelligenz zu produzieren. Seine visuellen Data-Skulpturen wurden bereits auf der Biennale von Venedig gezeigt, im MoMA und im Centre Pompidou. Jetzt widmet sich Anadol nach einer digitalen Neuinterpretation von Antonio Gaudís Casa Batlló in Barcelona im Guggenheim Museum in Bilbao erneut seiner "Living Architecture". Mit seinen "visuellen Symphonien", wie er die audiovisuelle, ortsspezifische Installation nennt, eröffnet Anadol eine neue Ausstellungsreihe namens "in situ", mit der in den kommenden Jahren vor allem Medienkunst in den Vordergrund gestellt werden soll.
Für seine Neuinterpretation oder auch Fortführung von Frank Gehrys architektonischem Erbe entwickelte Anadol ein maßgeschneidertes KI-Modell (Large Architecture Model), das über Monate hinweg anhand von Millionen frei verfügbarer Bilder, Skizzen und Pläne des Gebäudes trainiert wurde, um Gehrys architektonische Sprache in dynamische, sich ständig weiterentwickelnde Formen, Farben und Bewegungen wiederzugeben. Seine rund 16 Minuten lange Projektion, die zwar eine Grundstruktur hat, aber durch sich wechselnde Algorithmen nie gleich ist, ist in sechs unterschiedliche Kapitel unterteilt, die sich auch ästhetisch unterscheiden. Mal sind es abstrakte Bilder, dann wieder halluzinatorisch-traumhafte Architektur-Zukunftsvisionen.
"Mit unserer KI-Kunst leiten wir eine neue Ära ein"
Damit möchte er den Museumsbesuchern nicht nur neue Raumerfahrungen vermitteln, sondern ihnen auch KI-Kunst näherbringen - oder ihnen sogar die Skepsis und Angst davor nehmen, wie er im Gespräch mit der APA erklärt. Doch so faszinierend es auch ist, seine Arbeit zu bestaunen, deren generierte Bilder wirklich beeindruckend sind, genau so schwierig ist es auch, Anadols Kunst zu verstehen. Zweifellos weitet sie künstlerische Kreativität aus. "Mit unserer KI-Kunst leiten wir eine neue Ära ein, schaffen neue Kunstrealitäten und Formen, Kunst neu wahrzunehmen", sagt er.
Ob er jedoch mit seiner KI-Kunst tatsächlich auch auf wichtige, grundlegende Lebensfragen antworten kann, wie er es gerne möchte, ist fraglich. Es ist nicht immer leicht, aus seinen Data-Installation herauszulesen, was Menschlichkeit, was Spiritualität und was Gefühle sind. Dennoch hat es Anadol zweifelsfrei geschafft, neue Wege zu finden, Kunst vor allem einem neuen jungen Publikum näherzubringen. Unter Instagrammern ist sein überwältigendes, kunterbuntes Kunst-Spektakel sowieso seit Jahren regelrechter Hype. Und so wird seine Ausstellung "in situ: Refik Anadol", die nun vom 7. März bis 19. Oktober im Guggenheim-Museum in Bilbao läuft, mit Sicherheit ein großer Publikumserfolg werden. Anadols Kunst ist eine Art Spagat zwischen neuen Kunstwegen und publikumswirksamer Lavalampen-Überwältigungskunst.
(Von Manuel Meyer/APA)
(S E R V I C E - www.guggenheim-bilbao.eus)
Zusammenfassung
- Refik Anadol hat im Guggenheim Bilbao eine digitale Neuinterpretation von Gehrys Meisterwerk geschaffen, die auf einer 1.150 Quadratmeter großen Projektionsfläche präsentiert wird.
- Die Ausstellung, die vom 7. März bis 19. Oktober läuft, nutzt ein maßgeschneidertes KI-Modell und ist in sechs dynamische Kapitel unterteilt.
- Anadol arbeitet mit Unternehmen wie Google und Microsoft zusammen und zielt darauf ab, mit seiner Kunst neue Raumerfahrungen und eine neue Ära der Kunstwahrnehmung zu schaffen.