Kay Voges: "Köln war schon immer ein großer Traum von mir"
APA: Herr Voges, ich bin noch unentschlossen, ob ich Ihnen gratulieren soll. Was macht Sie so sicher, dass Köln Ihnen größeres Theaterglück bescheren wird als Wien?
Kay Voges: Sie können gern gratulieren. Sicher kann man sich in der Kunst nie sein, und wenn ich nach Sicherheit suchen würde, wäre ich ja auch nicht nach Wien gewechselt. Das Kölner Schauspiel war seit jeher ein wichtiger Bezugspunkt in meiner künstlerischen Sozialisation: Ich bin ja nicht unweit von Köln in Düsseldorf und in Krefeld aufgewachsen. Große Teile meiner Familie leben in der Region. Es war schon immer ein großer Traum von mir, dieses Theater einmal zu leiten.
APA: Was hat Sie bewogen, sich mitten in Ihrer ersten Direktionsperiode am Volkstheater für Köln zu bewerben?
Voges: Wie gesagt, das Kölner Schauspiel hat eine besondere Bedeutung für mich. Als die Anfrage kam, ob mich die Intendanz interessieren würde und ob ich mich bewerben möchte, konnte ich nicht "nein" sagen.
APA: Viele werden das als eine Art Eingeständnis sehen, dass Sie in Wien gescheitert sind.
Voges: Ich fühle mich nicht gescheitert: Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht und umgesetzt. Und zum Glück liegen jetzt noch zwei Spielzeiten vor uns, in denen wir viel vorhaben. Anschließend können wir gerne versuchen, gemeinsam ein Fazit zu ziehen.
APA: Nach Anfangsschwierigkeiten, die auch mit Corona zu tun hatten, lief es doch gut? Ihr Ensemble wurde vom Wiener Publikum ins Herz geschlossen, es gab Nestroy-Preise und Theatertreffen-Einladungen ... Haben finanziellen Schwierigkeiten Sie vertrieben? Werden Sie ein gut abgesichertes Haus übergeben können?
Voges: Ja, das werde ich. Wir haben nicht nur künstlerische Erfolge gefeiert, sondern haben auch nachhaltig gewirtschaftet. Das Volkstheater steht trotz der Energiekrise und hohen Inflation finanziell absolut gefestigt da. Auch weil das Publikum zunehmend zurückgekommen ist - und dank der großen Unterstützung durch die Politik - speziell durch die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. Wir stehen auch kurz davor, ein neues, zentral gelegenes Probebühnenzentrum in Betrieb zu nehmen - eine wichtige infrastrukturelle Verbesserung für das Haus, für die ich sehr dankbar bin. Insgesamt glaube ich, dass das Volkstheater heute besser aufgestellt ist als noch zu Beginn meiner Amtszeit.
APA: Wie hat die Wiener Kulturstadträtin reagiert, als Sie ihr Ihre Köln-Bewerbung eröffnet haben?
Voges: Ich schätze ihre Arbeit und beispiellosen Einsatz sehr; Veronica Kaup-Hasler ist ein Glücksfall für den Kulturstandort Wien. Die Entscheidung für Köln ist mir auch wegen ihr schwer gefallen.
APA: Sie starten 2025 in Köln. Wie sehr wird dann Ihre letzte Wiener Spielzeit von Vorbereitungen überschattet sein?
Voges: Die Vorlaufzeiten im Kulturbetrieb normalisieren sich ja glücklicherweise wieder. Meine Dramaturgie und ich haben die Spielzeit 2024/25 fast fertig durchgeplant. Es wird unsere letzte in Wien sein. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich erst im Frühjahr etwas zu den Inhalten sagen kann. Wichtig ist aber zu betonen, dass die Planungen für Köln unsere Arbeit in Wien nicht beeinträchtigen werden.
APA: Es ist ja kurios, statt künftig mit dem jetzigen Kölner Schauspielchef Stefan Bachmann als Burgtheater-Intendanten in Wien einen Konkurrenten zu haben, beerben Sie ihn nun. Bachmann musste sich mit der Etablierung einer Interimsspielstätte beschäftigen. Dürfen nun Sie das renovierte Haus eröffnen?
Voges: Die Eröffnung des Hauses wird zu Beginn der Spielzeit 2024/25 in der interimistischen Intendanz von Rafael Sanchez stattfinden. Wenn wir beginnen, wird das Haus also bereits ein Jahr regulär bespielt worden sein.
APA: Bachmann hat darum gekämpft, dass die Interimsspielstätte auch künftig bespielt wird. Wie sehen Sie das?
Voges: Stefan Bachmann, sein Team und das Ensemble haben in Köln-Mülheim etwas Einzigartiges in der deutschsprachigen Theaterlandschaft geschaffen, in jahrelanger harter Arbeit: die beiden Depot-Bühnen mit ihrer tollen Infrastruktur und Lage. Es ist eine kluge Entscheidung, diesen besonderen Kulturstandort für die Stadt zu halten, und wir freuen uns, ihn als Schauspielort gemeinsam mit der Freien Szene und der Tanzsparte weiter zu bespielen und am Leben zu halten.
APA: Welche andere Schwerpunkte werden Sie in Köln setzen - was war das Konzept, mit dem Sie das Rennen gemacht haben?
Voges: Ich habe immer versucht, ein Theater für die Menschen in der Stadt zu machen, in der ich arbeite. Nicht von oben herab, sondern im Dialog und mit der Stadtgesellschaft. Gern kontrovers, gern mutig, aber immer für das Publikum. Am Volkstheater machen wir Theater für die Wiener, in Köln werde ich Theater für die Kölner machen. Was das genau bedeutet, werden wir herausfinden - die konkrete Vorbereitung beginnt jetzt.
APA: Was hat das Wiener Publikum in den beiden ausstehenden Saisonen Ihrer Volkstheater-Direktion noch zu erwarten?
Voges: Die Spielzeit 2023/24 hat unter anderem einen großen Wien-Schwerpunkt: Wir präsentieren Stücke, die in Wien spielen, die von Wien handeln, die aus Wien kommen, die nach Wien gehören, die Wien und seine Menschen zeigen. Dazu zählen "Amadeus" von Peter Shaffer im Volkstheater in den Bezirken, "Malina" von Ingeborg Bachmann in der Regie von Claudia Bauer, das die Saison am 8. September eröffnen wird, oder Raphaela Edelbauers "Die Inkommensurablen". Ich inszeniere eine Mediensatire "Du musst Dich entscheiden! - Die Gameshow für Österreich", das die Transformationsprozesse der Gegenwart behandelt. Insgesamt stehen 23 Premieren am Spielplan. Dazu kommen Bildende Kunst, Musik sowie Performance und Tanz. Generell wird das Volkstheater auch in den kommenden zwei Jahren ein Theater in der Suchbewegung bleiben: Ein Theater, das auf die Gegenwart reagiert, sie abbildet, mit ihr im Dialog steht.
APA: Claus Peymann spricht immer von seiner Wiener Zeit als Königsetappe. Traditionell setzt die Wehmut nach Wien schon bald ein, nachdem man sich entschieden hat, der Stadt den Rücken zuzukehren. Ist schon absehbar, wie das bei Ihnen werden könnte?
Voges: Ich werde diese großartige Stadt sicher vermissen, insbesondere natürlich mein tolles Team hier: alle Abteilungen, alle Menschen, die daran beteiligt waren, hier etwas besonderes aufzubauen. Aber ich möchte noch gar nicht von Abschied sprechen. Ich habe gerade mit Alexander Kerlin einen neuen Leitenden Dramaturgen ans Volkstheater engagiert, und wir haben überhaupt nicht vor, jetzt schon das Ende einzuleiten - wir werden für das Wiener Publikum jetzt zwei Jahre weiter Vollgas geben.
(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA)
Zusammenfassung
- Im Interview mit der APA erklärt er seine neue Aufgabe zum Traumjob.