Horrorautor Heuvelt will seinen Lesern "das Fürchten lehren"
Horror, Übersinnliches, Aberglaube, Mystisches und jede Menge Action verpackt Heuvelt in eine unterhaltsame wie spannende, erzähltechnisch geschickt aufgebaute Story, die nicht mit Genre-Referenzen geizt. Das Grauen nimmt seinen Anfang, als der 13-jährige Luca, Protagonist der Handlung, auf dem Weg zur Schule ein altes Schiff in einem Feld liegen sieht. Es ist über Nacht aufgetaucht und wer durch seine Lücke klettert, verschwindet, um als algenartiger Zombie mit einer mysteriösen Botschaft wiederzukehren - und Opfer zu fordern. Damit nicht genug, muss es Luca auch noch mit Geheimagenten aufnehmen, deren Chefin ihr eigenes Süppchen kocht.
"In seinem Kern ist es eine Geschichte über ein Geisterschiff", betonte Heuvelt. "Aber wenn ich mir ein Thema vornehme, dann verdrehe ich es, bis etwas herauskommt, was man bisher so noch nicht gelesen hat." Die Initialzündung hatte der 41-Jährige, als er einen umgekippten Oldtimer in einem Tulpenfeld liegen sah. "Bei so einem Anblick geht meine Fantasie durch", schmunzelte der Schriftsteller. Beim Lesen von "Orakel" denkt man an "Twilight Zone" oder "Stranger Things", Heuvelt ist aber ein eigenständiger Mix mit Motiven aus solchen Serien gelungen.
Als Schauplatz hat der Autor seine Heimat auserkoren. "Ich bin Stephen King lesend aufgewachsen, also mit modernen Horrorgeschichten, die nicht in verwunschenen Schlössern in Transsilvanien spielen", erzählte Heuvelt per Zoom. "King hat diese Geschichten in amerikanische Kleinstädte verpflanzt. Als Europäer dachte ich, warum sollte ich meine Storys nicht in Europa - in meinem Fall in den Niederlanden - ansiedeln?"
Ohne zu spoilern, geht es in "Orakel" auch um den Anstieg der Meeresspiegel. Da sieht Heuvelt eine Parallele zur Vergangenheit: "Vor dem Schreiben des Romans wusste ich nicht, dass die Nordsee vor Uhrzeiten eine Landmasse war. Irgendwann wurde dieses 'Doggerland' überschwemmt. Dort mussten auch Menschen gelebt haben. Wir wissen nicht viel über sie, man hat nur Überreste wie Jagdwerkzeug gefunden." Auch das bezieht Heuvelt in seine Geschichte mit ein.
In die Figur des 13-Jährigen habe er sich beim Schreiben sehr leicht hineinversetzen können, erzählte der Autor: "Ich habe mich lange Zeit als Kind gefühlt, auch als ich bereits erwachsen war. Das muss man wohl, wenn man solche Geschichten schreibt. Erstens haben Kinder mehr Fantasie, und zweitens spüren sie viel stärker die Ängste, die in uns wohnen. Im Dunkeln allein schaue ich noch heute nicht gerne Horrorfilme. Wenn ich durch den Wald gehe, fürchte ich mich nicht vor Menschen oder Wölfen, aber vor Geistern."
Der Tod war immer präsent
Seine Ängste führt Heuvelt auf den frühen Tod seines Vaters zurück. "Ich war drei Jahre alt, als er plötzlich und unerwartet starb. Der Tod war in meiner Kindheit und Jugend immer präsent. Ich habe ihn mir als dunkle Figur vorgestellt, die in unserem Dachboden wohnt, und die mich, wenn ich im Stiegenhaus zu viel Lärm mache, auch holt. Oder meine Schwester. Geschichten sind für mich ein Weg, um das zu verarbeiten, um über diese Ängste zu schreiben."
Eigentlich passieren in unserer Welt genug schreckliche Dinge. Trotzdem boomt das Horrorgenre. Warum? "Ich weiß nicht, ob man sich nach dem Lesen von Horrorromanen weniger vor dem echten Leben fürchtet", antwortete Heuvelt. "Aber sie sind deine Freikarte, diese Ängste rauszulassen. Vielleicht macht uns das etwas stärker."
Heuvelt springt mit einigen Figuren in "Orakel" nicht gerade zimperlich um. Den Tod eines kleinen Mädchens beschreibt er etwa recht explizit. "Da geht es weniger darum, zu schocken, sondern darum, eine unheimliche Geschichte mit realen wirkenden Menschen zu erzählen, die sich in schwierigen Situationen wiederfinden. Die Leser sollen sich in diese Situationen hineinversetzen können. Manchmal gehen Dinge schief und das Monster gewinnt. Aber so ist das auch im Leben, am Ende sterben wir alle - aber wir wissen nicht, wie und wann. Aber ich muss zugeben, die Sache mit dem Mädchen, die war echt hart zu schreiben."
"Wir sind Handy-Zombies"
Eigentlich verfasse er Bücher für Erwachsene, so Heuvelt, aber auch viele Jugendliche würden ihn lesen, vielleicht auch solche, die sonst nie zu Literatur greifen. Dabei ist es im Zeitalter der Tweets keine Selbstverständlichkeit, seine Aufmerksamkeit 600 Seiten dicken Romanen zu widmen. "Wir sind Handy-Zombies", nickte Heuvelt. "Sinnlos durch Social Media scrollen, wie hirntot durch Clip nach dem anderen. Wir sind süchtig danach. Das ist extrem ungesund, das macht nur dümmer. Es würde allen helfen, öfter gemeinsam ein Brettspiel zu spielen, einen langen Film zu schauen oder eben ein Buch zu lesen."
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E - Thomas Olde Heuvelt: "Orakel", Übersetzt von Julian Haefs, Heyne Verlag, 656 Seiten, 19 Euro)
Zusammenfassung
- Stephen King lobte Thomas Olde Heuvelts Roman 'Hex', was dem Autor zu einer deutlich größeren Leserschaft verhalf und den Verkauf in 26 Länder ermöglichte.
- Heuvelts neuer Roman 'Orakel', in deutscher Übersetzung erschienen, erzählt von einem Geisterschiff und dem 13-jährigen Luca, der sich in einer mysteriösen und gefährlichen Situation wiederfindet.
- Der Roman behandelt Themen wie Horror, Übersinnliches und Aberglauben und ist inspiriert von modernen Horrorgeschichten, die in alltäglichen Umgebungen stattfinden.
- Ein bedeutendes Thema in 'Orakel' ist der Anstieg des Meeresspiegels, wobei Heuvelt historische Parallelen zu Doggerland zieht.
- Heuvelt reflektiert über persönliche Ängste, die aus dem frühen Tod seines Vaters resultieren, und kritisiert die Abhängigkeit von Social Media, während er die Bedeutung von Büchern betont.