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Georgische Pianistin Buniatishvili gegen "Politik der Angst"

Heute, 13:17 · Lesedauer 5 min

Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili spielt am Sonntag im Großen Saal des Wiener Konzerthauses einen Klavierabend, bei dem neben Schubert, Chopin und Liszt auch Mozarts "Sonata facile" auf dem Programm steht, die sie auf ihrem im Herbst erschienenen ersten Mozart-Album spielt. Wien kennt die 37-Jährige gut. Sie hat hier bei Oleg Maisenberg studiert und ist 2008 das erste Mal im Konzerthaus aufgetreten. Das Gespräch mit der APA dreht sich aber zunächst um Politik.

Schon 2016 hatte sie im APA-Interview gemeint: "Georgien und die Ukraine haben heute dasselbe Problem, nur ist die Situation in der Ukraine aktuell heißer. Unser gemeinsames Problem ist ein russischer Diktator." Heute herrscht in der Ukraine Krieg, und in Georgien schlägt eine pro-russische Regierung friedliche Proteste gewaltsam nieder. Keine leichte Zeit also, um sich auf Musik zu konzentrieren. "Mein einziger Wunsch in dieser Zeit ist Frieden in der Ukraine. Das Leid der Menschen dort muss ein Ende haben. Wir müssen unbedingt eine Friedenslösung finden."

Seit dem letzten Gespräch hat die Pianistin ihren Lebensmittelpunkt von Paris in die Schweiz verlegt und ein Kind bekommen. "Die Kinder leiden am meisten. Dabei sollte man alles tun, um sie zu schützen. Ich habe eine 20 Monate alte Tochter. Es ist wichtig, dass sie eine glückliche Kindheit hat. Ich will jeden Tag das Leben mit ihr feiern - und muss gleichzeitig an die Ukraine denken, aber auch an Gaza, und an die vielen Menschen überall, die hungern müssen."

Mit dem Aggressor Russland hat auch Georgien seine Erfahrung. Den Konflikt in Abchasien erlebte Buniatishvili als kleines Kind in Georgien, den Krieg in Südossetien 2008 von ihrem damaligen Studienort Wien aus. "Wir sind Nachbarn von Russland. Das ist unser Schicksal." Kein Grund aber, schicksalsergeben sich in alles zu fügen. "Geschichte kann sich auch von einem Tag auf den anderen ändern. Das ist unsere Hoffnung. Auch in Russland kann es sich ändern - auch, wenn es wahrscheinlich viel Zeit dafür braucht."

Kritik an georgischer Regierung

Zu den Entwicklungen in ihrem Heimatland habe sie sich lange nicht öffentlich geäußert, sagt die Pianistin. Nun will sie sich aber nicht mehr zurückhalten. "Was mich in Georgien stört, ist, wie sich die Regierung zu den eigenen Bürgern verhält. Natürlich denke ich, dass unsere Zukunft Europa ist. Aber was unsere Regierung macht, ist keine Frage von pro-russisch oder pro-europäisch, sondern ist anti-menschlich. Und das ist nicht akzeptabel. Menschen werden geschlagen oder eingesperrt, bloß, weil sie demonstrieren - was ihr gutes Recht ist. Es geht jetzt um Menschenrechte. Was jetzt dort passiert, schadet unserem Land. Ich bin sehr traurig darüber." Die Einschüchterung der Menschen durch staatliche Gewaltausübung irritiert sie tief: "Es erinnert mich manchmal an das, was im Iran passiert. Auch dort gibt es eine Politik der Angst. Ich hoffe, dass es in Georgien noch nicht zu spät ist und die Regierung umdenkt. So weiterzumachen wäre ein tragischer Fehler."

Dennoch dürfe man die Hoffnung nicht verlieren. "Wir brauchen Optimismus, denn der gibt uns Energie, etwas zu ändern. Natürlich gibt es auch Musikstücke, die den Schmerz, den wir spüren, ausdrücken. Es ist wichtig, beides in uns zu haben."

Ihren ersten Musikunterricht erhielt Khatia Buniatishvili im Alter von drei Jahren von ihrer Mutter. Wie hält sie es nun bei ihrer Tochter Charlotte? "Musik wird wichtig sein für sie. Musik gibt einem enorm viel fürs Leben, so wie Bücher. Sie kommt aber spielerisch damit in Berührung, ganz ohne Druck. Ich frage sie immer, ob sie etwas machen möchte. Ob es dann mehr wird in ihrem Leben, so wie bei mir, wird alleine ihre Entscheidung sein."

Im Mozart-Requiem liegt "die ganze Essenz des Lebens"

Dass ihr zehntes Album für Sony Classical das erste ist, das sich ganz der Musik Mozarts widmet, ist erstaunlich, denn Mozart habe schon früh in ihrem Leben große Bedeutung für sie gehabt, erzählt Buniatishvili: "Kinder lieben Mozart. Es ist einfache Musik, die oft heiter, manchmal aber auch traurig ist. Ich habe mich als Kind nach starken Gefühlen gesehnt. Ich war sieben Jahre alt, als ich sein Requiem das erste Mal hörte. Da war alles drinnen, das war für mich die ganze Essenz des Lebens." Das Album hat sie in London aufgenommen, mit der Academy of St. Martin in the Fields, die einst schon den Soundtrack für den berühmten "Amadeus"-Film von Milos Forman einspielte, der sie als Kind begeisterte. Neben dem d-moll Klavierkonzert Nr. 20 KV 466 hat sie das A-Dur Klavierkonzert Nr. 23 KV 488 dafür ausgewählt. "Der zweite Satz ist ein Höhepunkt, was Schönheit betrifft. Er ist fast unmenschlich, so schön ist er. Wir verstehen nicht, woran das liegt, wir verstehen nicht, wie das gemacht ist, aber wir spüren das", erklärt sie ihre Auswahl. Und die "Sonata facile", die sie am Sonntag im Konzerthaus spielt? "Sie ist so einfach, so perfekt. Einfälle haben da keinen Platz. Mozarts Musik wie ein Lächeln, hinter dem etwas Trauriges liegt."

Schon im März ist Khatia Buniatishvili anlässlich der Präsentation des nächsten Programms des Musikvereins, zu dem sie seit ihren Stehplatzbesuchen als Studentin eine besondere Beziehung hat, wieder in der Stadt. "Ich liebe Wien. Deshalb bin ich auch jetzt nicht nur für das Konzert hier, sondern für vier Tage. Ich will, dass auch meine Tochter diese Stadt möglichst gut kennenlernt."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Klavierabend Khatia Buniatishvili, Wiener Konzerthaus, So., 16.2., 19.30 Uhr; "Khatia Buniatishvili: Mozart", Sony Classical 19802809282; https://www.khatiabuniatishvili.com/)

Zusammenfassung
  • Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili spielt am Sonntag im Wiener Konzerthaus und hat kürzlich ihr erstes Mozart-Album veröffentlicht.
  • In einem Interview äußert sie sich besorgt über die politische Lage in Georgien und der Ukraine und kritisiert die Gewalt gegen Demonstranten.
  • Buniatishvili hat ihren Lebensmittelpunkt von Paris in die Schweiz verlegt und ist Mutter einer 20 Monate alten Tochter geworden.
  • Sie betont die Bedeutung von Musik in ihrem Leben und sieht Hoffnung in der Möglichkeit politischer Veränderungen.
  • Das Mozart-Requiem hat seit ihrer Kindheit eine besondere Bedeutung für sie, und sie pflegt eine enge Beziehung zu Wien.