"Generationen von Bildern": Albanische Ambivalenzen
Der gebürtige Salzburger Filmemacher, der selbst kein Albanisch spricht, nahm neu entdeckte Privataufnahmen der Familie des einstigen Diktators Enver Hoxha als Ausgangspunkt für eine Durchleuchtung der albanischen Seele. Die an der Oberfläche banalen Familienimpressionen einer bürgerlich-mondänen Elite montiert er mit aktuellen Aufnahmen, die auf 16mm-Film gedreht mit den Vorvätern aus der Vergangenheit verschwimmen.
Alte Bücher, die antiquarisch am Straßenrand verkauft werden, stehen neben den neuen Symbolen des Kapitalismus, 1. Mai-Proteste von heute werden den 1. Mai-Jubelaufmärschen des einstigen kommunistischen Regimes gegenübergestellt. Junge Menschen werden mit einem Gedicht aus Zeiten der Diktatur in all seiner Ambivalenz konfrontiert, was zum Ausgangspunkt für eine Reflexion über die Generation der Väter und Mütter wird. Und es gibt die ausdrucksstarken Gesichter der alten Bauern, in denen sich die Falten wie Gebirgsbäche in weichen Sandstein eingegraben haben, und die über die Vorzüge der Vergangenheit sinnieren.
Poetischer Dialog der Generationen
Es entsteht in poetischer Form ein indirekter Dialog der Generationen, der im Land selbst nur begrenzt stattzufinden scheint. Dabei sind eigentlich keine Generationen von Bildern in Gierlingers Film zu sehen, alles geht ineinander über, bleibt in sich getrennt, ergibt in der Vogelperspektive gleich Mosaiksteinchen jedoch ein Gesamtbild. Es offenbart sich der Fluss der Zeit im Bild, wobei dessen Vieldeutigkeiten enthüllt werden, wenn Gierlinger die Mikromomente vor dem inszenierten Applaus der Massen im Archiv entdeckt, die in den frustrierten, abweisenden Gesichtern weit mehr offenbaren als die nachfolgenden Jubelstürme.
Vielschichtiges Porträt
Es ist frappant, wie sehr es einem Außenstehenden mit kleinem Team gelingen kann, das vielschichtige Porträt eines Landes in seinem Sein, Werden und Gewesen-Sein zu zeichnen, ohne dabei mit einfachen Konzepten aufzuwarten. Gierlinger wirft primär Fragen auf, oder wie es der 1985 geborene Künstler, der 2017 bereits mit dem Birgit-Jürgenssen-Preis ausgezeichnet wurde, in Graz selbst definierte: "Meine Filme sind nicht so, dass man rausgeht und eine Antwort hat." Aber vielleicht hat man eine Ahnung.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - "Generationen von Bildern" am 30. März um 14.30 Uhr im Rechbauer-Kino. www.diagonale.at)
Zusammenfassung
- Johannes Gierlingers Film 'Generationen von Bildern' feierte seine Österreichpremiere auf der Diagonale in Graz und zeigt ein vielschichtiges Bild Albaniens durch die Überlagerung von Zeitschichten.
- Der Dokumentarfilm nutzt Privataufnahmen der Familie des ehemaligen Diktators Enver Hoxha und aktuelle 16mm-Aufnahmen, um die Ambivalenzen der albanischen Geschichte zu beleuchten.
- Gierlinger, der 1985 geboren wurde und 2017 den Birgit-Jürgenssen-Preis erhielt, betont, dass seine Filme Fragen aufwerfen, anstatt Antworten zu liefern.