Frankfurter Buchmesse begann unter dem Motto "Re:Connect"
"Machen wir uns nichts vor: "back to business" ist noch lang nicht "back to normal"", sagte Buchmessen-Chef Jürgen Boos zum Auftakt. Und in der Tat ist man in Frankfurt noch weit entfernt von der Vor-Corona-Zeit. Während 2019 mehr als 300.000 Menschen auf das Gelände strömten, dürfen 2021 maximal 25.000 Gäste pro Tag kommen. Die Ausstellerzahl war vor zwei Jahren mit 7.500 fast viermal so hoch.
Die Buchbranche gab sich unterdessen optimistisch. "Mit der Corona-Pandemie haben wir einen der größten Stresstests der Geschichte souverän bestanden", sagte die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs. Auch der Blick auf das laufende Jahr stimme zuversichtlich: Über alle Vertriebswege hinweg hat der Umsatz auf dem Buchmarkt laut den Angaben mit Ende der Kalenderwoche 40 das Vor-Corona-Niveau eingeholt und liegt 0,7 Prozent über dem Umsatz des Vergleichszeitraums 2019. In der Krise habe sich gezeigt, wie fest das Buch in der Gesellschaft verankert sei. "Social Distancing wurde nicht zur Distanz zum Buch."
Unterdessen führte der Messestand von Verlagen der Neuen Rechten zu einer Kontroverse. Jasmina Kuhnke, die als Überraschungsgast ihr Buch "Schwarzes Herz" vorstellen wollte, hatte ihren Auftritt auf der Messe wegen des dort vertretenen Jungeuropa-Verlags abgesagt. Die Bildungsstätte Anne Frank solidarisierte sich mit der schwarzen Autorin. Und Michael Müller von der Linken-Fraktion im Frankfurter Römer sagte: "Die Frankfurter Buchmesse darf diesen Verlagen keine Bühne bieten, auch nicht in der hinterletzten Ecke." Schon 2017 hatte die Präsenz neurechter Verlage zu Protesten und einer Demonstration geführt.
Die Buchmesse verteidigte sich: Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, betonte Boos. "Die Buchmesse ist der Ort, der dafür steht. Und wir müssen leider auch Meinungen oder die Präsenz von Menschen aushalten, die ich nicht unbedingt gerne hier hätte." Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen warnte dagegen vor zu viel Toleranz gegenüber den Intoleranten.
Offiziell eröffnet wurde die Buchmesse bei einem Festakt am Dienstagabend. Nach eineinhalb Jahren, "in denen Lesestoff noch mehr als sonst Seelennahrung war", setze die Messe die Segel für einen neuen Aufbruch, sagte Kultusministerin Monika Grütters (CDU). Aus dem Ehrengastland Kanada reiste Generalgouverneurin Mary May Simon an, die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood wurde live zugeschaltet. Eine Videoschaltung mit der kanadischen Poetin Joséphine Bacon musste jedoch wegen technischer Probleme abgebrochen werden.
Bis Sonntag stellen mehr als 300 Autorinnen und Autoren ihre Bücher vor oder debattieren über Gesellschaftsfragen. Ein Themenschwerpunkt lautet "Wie wollen wir leben?" - in Kooperation mit dem deutsch-französischen Fernsehsender Arte. "Wir stellen uns diese Frage angesichts der alarmierenden Verrohung unseres Umgangs miteinander, der unüberbrückbar scheinenden Spaltung unserer Gesellschaft", sagte Boos. Auch gehe es um die Frage, welchen Beitrag die Buchbranche leisten könne.
Der Börsenverein stellte sich am Dienstag auch nachdrücklich hinter die Kampagne "Fair Lesen", bei der Autorinnen und Autoren wie Juli Zeh, Daniel Kehlmann, Sibylle Berg und Judith Hermann gemeinsam mit Verlagen auf ihre Rechte beim E-Book-Verleih pochen. "Es geht um nichts weniger, als um die Zukunft", sagte Schmidt-Friderichs. Schon jetzt würden Verlage den E-Book-Verleih mit Hunderttausenden Titeln versorgen - "und sie tun das gerne". Aber gerade bei den Bestsellern brauche es ein bestimmtes Zeitfenster, in dem ein E-Book zunächst auf dem Kaufmarkt angeboten wird, bevor es zum Verleih freigegeben werde.
Ab Mittwoch (20. Oktober) ist die Messe für das Fachpublikum geöffnet, ab Freitag (22. Oktober) dann für alle Besucher. Die Messe endet am Sonntag (24. Oktober) mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe.
(S E R V I C E - www.buchmesse.de)
Zusammenfassung
- Jasmina Kuhnke, die als Überraschungsgast ihr Buch "Schwarzes Herz" vorstellen wollte, hatte ihren Auftritt auf der Messe wegen des dort vertretenen Jungeuropa-Verlags abgesagt.
- Die Bildungsstätte Anne Frank solidarisierte sich mit der schwarzen Autorin.
- Und Michael Müller von der Linken-Fraktion im Frankfurter Römer sagte: "Die Frankfurter Buchmesse darf diesen Verlagen keine Bühne bieten, auch nicht in der hinterletzten Ecke."