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Flucht und Spurensuche in der Kunsthalle am Karlsplatz

Erinnerungen an die Flucht aus dem Irak und Proteste gegen das politische System hat Rawan Almukhtar in Zeichnungen und Gemälden festgehalten. 2024 erhielt er mit Ida Kammerloch den Kunsthalle Wien Preis, der auch eine Schau umfasst. Werke der Absolventen der Akademie der bildenden Künste bzw. der Angewandten sind nun in der Kunsthalle Karlsplatz zu sehen. Kammerlochs Arbeiten beschäftigen sich u.a. mit staatlich konstruierter russischer Identität und gelebter Realität.

Von Kammerlochs russischem Großvater Vladimir Alin, der als Geschäftsmann wiederholt in die Mongolei reiste, in den 1990er-Jahren selbst aufgenommene Filme verarbeitete die in Ischewsk, Russland, geborene Künstlerin in eine Videoinstallation. Zugleich nutzte sie das Material, rund 460 Stunden Videos aus dem Alltag Alins, um sich selbst auf Spurensuche zu begeben. So besuchte sie - 30 Jahre nachdem ihr Großvater Spielzeug dorthin transportierte - die mongolische Stadt Manzhouli. Die daraus resultierte Videoarbeit ist Dokumentation der "eigenen Reise" und "Realitycheck", so Kammerloch gegenüber der APA - oder wie es im Handout heißt: "Fallstudie, wie die russische und die chinesische Identitätskonstruktion von der jeweils anderen geprägt werden."

Ihre Siegerarbeit wiederum ist eine ebenso bizarr anmutende wie eindrucksvolle Videocollage. Kammerloch "nähert sich Russland über seltsame Orte", wie sie sagt. In diesem Fall machte die Künstlerin "Undercoverurlaub" mit ihrer Kamera in einem dem Kreml nachempfundenen Hotel in Antalya: "Man fragt sich, wer dort urlaubt, angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, und im Pool mit Blick auf den nachgebauten Kreml badet." Eine weitere Videoinstallation, "Aren't You Afraid to Swing on Russian Swings?", untersucht "das Verlernen einer sozialistischen Lebensweise, um neuen kapitalistischen Zwängen gewachsen zu sein".

Eigene Flucht als Bezugspunkt

In Bagdad geboren, spiegeln Almukhtars frühe Werke ein Bedürfnis wider, die instabile politische Situation in seinem Heimatland zu dokumentieren. Weil ihm das Militär die Kamera weggenommen hatte, hielt er den Protest auf den Straßen in Zeichnungen fest. Ein gefährliches Unterfangen, weshalb er diese oft erst zu Hause fertigstellte. Die Zeichnungen sind daher eine Mischung aus dem, was er gesehen und gleich dokumentiert hat, und seinen Erinnerungen daran. Ebenso intensiv wirken seine großformatigen Ölgemälde der Serie "Hirja - Deframing Postmigration". Hirja bedeutet auf Arabisch Flucht - dem Titel entsprechend verarbeitete Almukhtar damit seine eigene Erfahrung.

Anhand von Fotos, die ihm sein Bruder zukommen ließ, fertigte Almukhtar eine großflächige Kohlezeichnung mit Szenen von aktuellen Protestkundgebungen an. Ebenso ausdrucksstark zeigt ein weiteres Bild, gefertigt mit Druckverfahren, 800 Gewehre, vom Waffenproduzent Steyr an die iranische Polizei geliefert und in den Reihen verschiedener Milizen und terroristischer Organisationen im Irak, in Syrien, im Jemen und im Libanon gelandet.

(S E R V I C E - Kunsthalle am Wiener Karlsplatz: "Ausstellung zum Kunsthalle Wien Preis 2024: Rawan Almukhtar und Ida Kammerloch", 23. Jänner bis 20. April, 10-18 Uhr, https://go.apa.at/fipx1iwd)

ribbon Zusammenfassung
  • Rawan Almukhtar und Ida Kammerloch wurden 2024 mit dem Kunsthalle Wien Preis ausgezeichnet, ihre Werke sind in der Kunsthalle am Karlsplatz zu sehen.
  • Kammerloch verarbeitet 460 Stunden Videomaterial ihres Großvaters in einer Videoinstallation, während Almukhtar Proteste im Irak in Zeichnungen festhält.
  • Almukhtars Kohlezeichnung zeigt 800 Gewehre, die von Steyr an die iranische Polizei geliefert wurden und in verschiedenen Konfliktregionen auftauchten.