APA/APA / Wiener Festwochen/Arno Declair

Festwochen-Gastspiel von Jelinek-Stück gefeiert

Mit langem Applaus ist am Mittwochabend ein Festwochen-Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin gefeiert worden. Jossi Wielers Uraufführungsinszenierung des Jelinek-Textes "Angabe der Person" war mit mancher Auszeichnung, darunter dem Nestroy-Preis für die "Beste Aufführung im deutschsprachigen Raum", angereist. Im Volkstheater Wien fesselte die zweieinhalbstündige pausenlose Produktion, die große Anforderungen an Schauspielerinnen und Publikum stellt, fast durchgängig.

Beinahe kamen Erinnerungen an einst auf, als es Usus war, die herausragendsten Produktionen des deutschsprachigen Raums nach Wien einzuladen und man sich als Festwochen-Besucher die Reise zum Berliner Theatertreffen sparen konnte. Wobei es Wielers Inszenierung zwar zu den Mülheimer Theatertagen, nicht aber nach Berlin schaffte: Dort gelangte sie über die Shortlist nicht hinaus. Ein Grund dafür mag in der radikalen Selbstbeschränkung der theatralen Mittel liegen. Handlung oder Interaktion gibt es an diesem Abend kaum - dafür eine absolute Konzentration auf Jelineks Text, der so transparent wie nachvollziehbar gemacht wird wie nur selten.

Die Nobelpreisträgerin, die sich sonst nationalen wie globalen Problemen widmet und ihre eigene Person höchstens selbstironisch einbaut, wird in "Angabe der Person" unüblich privat. Eine Steuerprüfung deutscher Behörden samt unangenehm und teilweise offenbar übergriffig verlaufender Hausdurchsuchung inklusive Beschlagnahmung persönlicher Korrespondenzen und literarischer Aufzeichnungen verknüpft sie mit ihrer "Lebenslaufbahn" und der Geschichte des jüdischen Teils ihrer Familie, zurück bis "Herschel Jellinek", 1848 als Revolutionär hingerichtet. En passant beschäftigt sie sich mit der politischen und wirtschaftlichen (Nicht-)Aufarbeitung der Nazi-Herrschaft samt Entschädigungsleistungen an die Täter.

Bühnenbildnerin Anja Rabes hat Rudimente einer bis auf eine Klomuschel leeren Wohnung auf eine schräge Ebene gestellt und lässt diesen Aufbau, unter dem sich ein für wenige Szenen genutztes, mit Videokamera ausgestattetes Versteck befindet, die meiste Zeit im Kreis drehen. Das Bühnenbild hätte man sich komplett sparen können. Denn die drei nacheinander vorgetragenen Monologe von Linn Reusse, Fritzi Haberlandt und Susanne Wolff brauchen außer dem meist direkt angesprochenen Publikum nur Bernd Moss als meist stummen, an einem Tischchen über Sound-Computer und Ton-Steuerung gebeugten leichenblassen Jelinek-Ehemann (der Komponist und Informatiker Gottfried Hüngsberg starb im Herbst 2022) und ein von alleine spielendes Pianino als Anspielpartner.

Die drei Monologe sind allerdings schlicht großartig - und auch mit welch unterschiedlichen Mitteln die drei Schauspielerinnen das Publikum in den Bann ziehen und gleichzeitig die Schichtungen und Brüche der von ihnen souverän bewältigten Textmassen offenlegen. Das ist für alle Beteiligten so anstrengend wie unterhaltsam und die Kalauer sind spärlicher gestreut als sonst. Aber es gibt sie: "Ein S-Elfie?", etwa. "Sterben kann ich noch immer. Ich warte nur darauf, dass sie mir das Datum nennen. Inzwischen mach ich das Patriarchat fertig." Prägnant vor allem: "Ich bin eine Art Windel für die Welt. Ich lasse nichts durch."

Selten hat man dem Jelinek'schen Gedankenfluss derart in Live-Großaufnahme bei seiner Sprachwerdung zusehen können. Erst gegen Ende treffen die drei Frauen - bei einer Rauchpause am Klo - aufeinander. Auch in den dialogartig montierten Passagen gibt es schöne Momente, im Vergleich zu der hohen vorangegangen Konzentration wirken die nun deutlicheren Versuche einer szenischer Bebilderung geradezu konventionell. Am Ende ist der Mann am Wort - nicht an seinem, denn er liest aus dem Textbuch vor. Berührend. Am Ende reißt der Text einfach ab. Er kommt nicht mehr weiter - und blickt hilflos und entschuldigend lächelnd ins Publikum. Ein starker Schlusspunkt eines intensiven Theaterabends, von dem es heute und morgen noch zwei Reprisen gibt.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Angabe der Person" von Elfriede Jelinek, Regie: Jossi Wieler, Bühne, Kostüm: Anja Rabes, Komposition, Arrangement: PC Nackt, Mit: Fritzi Haberlandt, Bernd Moss, Linn Reusse, Susanne Wolff, Eine Produktion des Deutschen Theater Berlin, Weitere Aufführungen im Rahmen der Wiener Festwochen: Volkstheater Wien, 6. und 7. Juni., 19.30 Uhr, www.festwochen.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Deutsche Theater Berlin präsentierte am Mittwochabend im Volkstheater Wien die Inszenierung des Jelinek-Textes 'Angabe der Person' unter der Regie von Jossi Wieler, die den Nestroy-Preis für die 'Beste Aufführung im deutschsprachigen Raum' erhielt.
  • Die zweieinhalbstündige, pausenlose Produktion stellt hohe Anforderungen an Schauspieler und Publikum, wobei die drei Schauspielerinnen Linn Reusse, Fritzi Haberlandt und Susanne Wolff mit ihren Monologen das Publikum fesselten.
  • Elfriede Jelinek behandelt in 'Angabe der Person' persönliche Themen wie eine Steuerprüfung und die Geschichte ihrer jüdischen Familie, was die Inszenierung besonders intensiv und berührend macht.