Festival Schubertiade startete in die 50. Saison
Eröffnungsreden gab es nicht, es gilt der Musik: Mit ihr, nämlich mit den Eintrittsgeldern der Musikfreunde, finanziert sich die Schubertiade weitgehend, denn ihr Programm ist nicht subventioniert. Der Auftakt gelang unspektakulär, aber sehr durchdacht, denn die 7. Symphonie in h-Moll, die "Unvollendete", ist nicht nur eines der allgemein bekanntesten Werke von Franz Schubert (1797-1828), sie ist in manchen ihrer kompositorischen Ideen auch sehr modern. Die Bearbeitung für Klavier zu vier Händen, Violine und Cello von Carl Burchard repräsentiert auch einen Einblick ins Musikleben des frühen 19. Jahrhunderts, als es beliebt war, im kleinen Kreis zu musizieren. Ob man derlei Bearbeitungen goutiert oder nicht, das volksliedhafte Seitenthema ebenso zur Wirkung zu bringen wie das kontrastreiche Andante wird erwartet.
Keine Frage: Yaara Tal und Andreas Groethuysen, die israelische Pianistin und ihr deutscher Partner, empfahlen sich als Klavierduo, das seit Jahrzehnten zu jenen Interpreten zählt, die das Schubertiade-Publikum stets erneut begeistern. Der australische Geiger Daniel Dodds bestätigte das gute Gespür von Gerd Nachbauer bei der Auswahl der Debütanten. Die junge deutsche Cellistin Raphaela Gromes interpretierte den schwungvollen Part so, dass man der folgenden Symphonie Nr. 8 in C-Dur mit Freude entgegensah. Dass deren Bearbeitung durch Friedrich Hermann nicht als Kompromiss zu erfahren ist, sondern als eigenes Genre, wurde durch die hohe Qualität der Darbietung - im Besonderen durch die Dynamik im Scherzo - und auch aufgrund der guten Akustik im Markus-Sittikus-Saal deutlich.
Benannt nach dem Salzburger Erzbischof Markus Sittikus, der aus dem Adelsgeschlecht der Grafen von Hohenems stammte, zählt die einstige Turnhalle, in der auch CD-Aufnahmen stattfinden, zu jenen historischen Gebäuden, deren Erhalt Gerd Nachbauer in Hohenems sicherte. Der Schubertiade-Leiter richtete im Stadtzentrum insgesamt sechs Museen ein, in denen eine Fülle von Dokumenten zu Schubert, der Schubertiade, von Interpretinnen und Interpreten, wesentliche Teile des Nachlasses der Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf und des Musikproduzenten Walter Legge zu erkunden sind.
"Mein Problem ist es nicht, wen ich engagieren, sondern wen ich weglassen soll", erklärte Gerd Nachbauer im Gespräch mit der APA die Situation im Liedgesang. Er weiß, welchen Empfehlungen er vertrauen kann und ist im Einhören in eine Stimme derart erfahren, dass er, wie er meint, eher niemanden übersehen hat. Das am Samstag dem Kammerkonzert folgende Debüt von Lukas Lemcke erwies sich jedenfalls als erfreuliche Begegnung. Nachdem es etwas heißt, von Helmut Deutsch begleitet zu werden, jenem Pianisten, der seit 1980 zu den Stars der Schubertiade zählt, ließ sich der Bass rasant durch Schuberts "Fischerweise" peitschen und brachte die Geschmeidigkeit seiner Stimme im "Wanderer" und vor allem in "Grenzen der Menschheit" zum Ausdruck. Kraft und Eleganz zeigten sich in den Liedern von Hugo Wolf, besonders feine Temposchattierungen in jenen von Schuberts Zeitgenossen Carl Loewe.
Beginn am 8. Mai 1976
Lukas Lemcke war einst bei den Regensburger Domspatzen, einem Chor, den auch die Schubertiade-Chronik aufweist. War er doch bei der ersten Schubertiade dabei, die am 8. Mai 1976 im Rittersaal des Gräflichen Palastes begonnen hatte und unter der künstlerischen Leitung von Hermann Prey stand. Mit der Absicht, einen jährlichen Konzertzyklus durchzuführen, hatte Gerd Nachbauer bereits als musikbegeisterter Zwanzigjähriger die "Mozartgemeinde Vorarlberg" gegründet, aus der nach der Begegnung mit dem Bariton die Schubertiade erwuchs. Diese verantwortet Nachbauer nach dem Abgang von Hermann Prey 1980 nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch künstlerisch allein.
Er holte etwa Dietrich Fischer-Dieskau, Nikolaus Harnoncourt, Peter Schreier, Robert Holl, András Schiff, Brigitte Fassbaender, Sviatoslav Richter, Robert Holl und Jessye Norman nach Vorarlberg. Sei es in Hohenems, sei es Feldkirch, wohin die Schubertiade einige Jahre abwanderte, sei es im ausgebauten Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg (Bregenzerwald), der von Künstlerinnen und Künstlern ebenso geschätzt wird wie der Markus-Sittikus-Saal - wer sich in den vergangenen fünfzig Jahren als Interpretin oder Interpret des Werks von Schubert international etablieren konnte, der war hier.
70 Veranstaltungen locken bis zu 35.000 Gäste an
Die Schubertiade bietet pro Jahr mittlerweile rund 70 Veranstaltungen an und zählt dabei bis zu 35.000 Besucherinnen und Besucher. In der 50. Saison sind Konzertzyklen im April/Mai, Juli und Oktober in Hohenems sowie im Juni und August in Schwarzenberg vorgesehen. Zu begegnen ist dabei Igor Levit, Sabine Meyer, Ian Bostridge, Christian Gerhaher, Christoph und Julian Prégardien, dem Pavel Haas Quartett und vielen anderen bzw. dem Who-is-Who des Fachs und weiteren Debütanten mit einem Repertoire von Schubert bis Mahler. Wobei man davon ausgehen kann, dass Gerd Nachbauer auch bereits an das Jahr 2028 denkt, in dem Franz Schubert (1797-1828) sowieso weltweit stark im Fokus stehen wird.
(Von Christa Dietrich/APA)
(S E R V I C E - Konzerte und Liederabende in der 50. Schubertiade-Saison finden im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems noch bis 4. Mai sowie vom 10. bis 14. Juli und vom 1. bis 5. Oktober statt. Die Schubertiade im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg findet heuer vom 21. bis 29. Juni sowie vom 23. bis 31. August statt: www.schubertiade.at)
Zusammenfassung
- Die Schubertiade feiert ihre 50. Saison mit rund 70 Veranstaltungen und zieht bis zu 35.000 Besucher an.
- Das Festival finanziert sich durch Eintrittsgelder und verzichtet auf Subventionen, was seine Unabhängigkeit unterstreicht.
- Gerd Nachbauer, der Initiator und Leiter, hat die Schubertiade seit ihrem Start 1976 maßgeblich geprägt.
- Zu den Höhepunkten der Eröffnung gehörte Schuberts 7. Symphonie in einer Bearbeitung für kleinere Besetzung.
- Lukas Lemcke debütierte beeindruckend, begleitet von Helmut Deutsch, einem langjährigen Star der Schubertiade.