APA/Wolfgang Huber-Lang

Erstes "Forum Kultur": Branche nahm "Gesprächsangebot" an

Das erste "Forum Kultur" hat am Dienstagvormittag im Volkstheater Wien vor dicht besetzten Rängen begonnen und ist am frühen Abend vor deutlich gelichteten Reihen zu Ende gegangen.

In Statements, Panels und Informationsrunden wurden aktuelle Fragen der Kunst- und Kulturbranche besprochen. Die Veranstaltung war Teil der "Kunst- und Kulturstrategie", deren Erarbeitung im Regierungsprogramm festgehalten wurde, und soll künftig jedes Jahr stattfinden.

"Wenn das kein spannender Tag wird, sind wir selber schuld", meinte Kabarettist Hosea Ratschiller, der gemeinsam mit Musikerin und Slampoetin Yasmo als Moderator fungierte, zum Auftakt. Am Ende musste man sagen: Geht so. Immerhin nahmen viele Menschen das "Gesprächsangebot", wie es Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) nannte, an - auch wenn es für die meisten, die gekommen waren, mehr ein Angebot zum Zuhören war. Aufhorchen ließ Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) mit der Andeutung, dass "eine große, brauchbare Lösung" für das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) im Werden sei: "Ich glaube, das wird demnächst auch gelingen."

Der Pianist Igor Levit wollte als Keynote-Speaker "Mut machen" in einer von Pandemie und Ukraine-Krieg ("Der Epochenbruch") geprägten Zeit und hielt ein Plädoyer für Kunst als Raum der Hoffnung, des Zusammenseins und des Gemeinsamen. Und doch stellte er - unter dem Applaus des Publikums - einige Fragen: Warum werde Musikunterricht immer stärker gekürzt? Warum lebten so viele Künstler im Prekariat? Warum spreche man in der Kultur von Subventionen und nicht von Investitionen? Warum werde ernsthaft die Abschaffung des RSO diskutiert?

Antworten darauf gab es ebenso wenig wie auf die Frage, wie es mit der kulturellen Teilhabe der Österreicherinnen und Österreicher nach der Pandemie nun wirklich steht. Die angekündigte Vorstellung einer diesbezüglichen, vom Ministerium beauftragten Sora-Studie stellte sich als kurze, eher kursorische Vorschau auf den Endbericht heraus, der Ende März vorgelegt werden soll.

2.000 Menschen waren im Dezember und Jänner dafür befragt worden, erzählte Daniel Schönherr von Sora. Drei Viertel der Befragten nehmen nicht oder kaum am kulturellen Leben teil, 20 Prozent sind regelmäßige Besucher von Kulturveranstaltungen, 5 Prozent echte Stammkunden. 20-25 Prozent gaben an, 2022 seltener in Kulturveranstaltungen gewesen zu sein. Dafür seien viele Gründe angeführt worden, so Schönherr, die Angst vor einer Ansteckung habe jedoch eine überraschend geringe Rolle gespielt. Hauptgrund sei der Preis. "Viele sagen, sie sparen." Weiters häufig genannt: "Mein Interesse an Kunst und Kultur hat abgenommen." Jeder Zehnte wolle eigentlich künftig "mit Kultur nichts mehr zu tun haben. Es gibt aber auch ein Zehntel, das die kulturelle Beteiligung ausgeweitet hat".

Zuwenig echte Diskussionsgrundlage für ein anschließendes Panel, in dem über "Das Publikum der Zukunft" diskutiert wurde. FM4-Programmchefin Dodo Roščić empfahl, Veränderungen zu akzeptieren: "Es gibt eine neue Welt, die alte kommt nicht zurück." Und Volksopern-Chefin Lotte de Beer konnte stolz davon berichten, dass ihr Publikum wie angestrebt jünger und vielfältiger geworden sei. "Wir müssen diverser werden!", so de Beer, die allerdings die gemeinsame Scham teilte, ausgerechnet nach einer Performance von Anna Gaberscik, die für mehr Diversity auf den Bühnen warb, Teil eines "All-White-Podium" zu sein.

War es am Vormittag auf dem Podium, das "eine Standortbestimmung" liefern sollte, vor allem um Grundsätzliches, nämlich um die Freiheit von Kunst und Kultur gegenüber gesellschaftlichen Aufgaben gegangen, wurde sie am Nachmittag gehörig in die Pflicht genommen. Im Panel über "Klimawandel - Kulturwandel" mahnte vor allem der Politologe Reinhard Steurer eine Mitverantwortung von Kunst und Kultur beim Aufrütteln der Menschen gegenüber der Dringlichkeit der Klimakrise ein. Es gebe nicht nur den ökologischer Fußabdruck, den zu mindern sich viele Bereiche der Kulturbranche bereits bemühten, sondern auch ökologischen Handabdruck: "Ich glaube, politische Kunst und Kultur könnte so etwas wie der Herzschrittmacher der Klimabewegung werden!"

Steurer forderte die Kultur dazu auf, was die Wissenschaft bereits mache und dafür gescholten werde: Partei zu ergreifen. Er zitierte UN-Generalsekretär António Guterres : "Wir brauchen Störung, um die Zerstörung zu beenden. - Wir brauchen Gefühle, und wer soll das bringen, wenn nicht Kunst und Kultur?" Gleichzeitig wies er auf die hohe Dringlichkeit hin, denn die Klimaziele seien bereits jetzt fast unerreichbar: "Wir sind 0:5 im Rückstand." - "Aber die Filmwirtschaft hat den Anschlusstreffer geschossen", wies Moderator Ratschiller darauf hin, dass Produzent und Filmfachverbands-Obmann Alexander Dumreicher-Ivanceanu berichtet hatte, das neue Anreizmodell, das in der Filmförderung auch ökologische Kriterien berücksichtige, gelte europaweit bereits als Best-Practice-Beispiel.

Wenig Zug zum Tor ortetet hingegen Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, bei der heutigen Veranstaltung: "Ein Diskurs ist noch keine Strategie", sagte sie am Vormittag - und ließ später eine Aussendung folgen: "Was davon wie in das politische Handeln einfließt, bleibt eine Blackbox." Die versprochene Kunst- und Kulturstrategie sei weiter ausständig: "Dass bis heute noch immer nichts vorliegt, lässt die Hoffnung auf eine partizipativ erarbeitete Kulturstrategie schwinden."

ribbon Zusammenfassung
  • Das erste "Forum Kultur" hat am Dienstagvormittag im Volkstheater Wien vor dicht besetzten Rängen begonnen und ist am frühen Abend vor deutlich gelichteten Reihen zu Ende gegangen.
  • In Statements, Panels und Informationsrunden wurden aktuelle Fragen der Kunst- und Kulturbranche besprochen.
  • Die Veranstaltung war Teil der "Kunst- und Kulturstrategie", deren Erarbeitung im Regierungsprogramm festgehalten wurde, und soll künftig jedes Jahr stattfinden.