Dolores Schmidinger wird 75
Als humorvoller Einblick "in die (Un-)Tiefen ihrer Familiengeschichte" mit einem "Panoptikum an eigenwilligen Charakteren" wird Schmidingers frisch gedrucktes Werk angepriesen. "Entlang der Lebenslinien ihrer Eltern und Großeltern liefert Schmidinger eine mit spitzer Feder geschriebene Parabel darauf, wie Lebensträume am Alltag zerschellen, Frauen sich (noch immer) für Männer klein machen - und nicht zuletzt darüber, wie Mitläufertum in Zeiten einer Diktatur zum Normalfall wird", heißt es in der Verlagsankündigung.
Das Schreiben ist für Schmidinger nur ein Standbein. Ihre Bühnenkarriere reicht von der legendären "Rozznjogd"-Uraufführung an der Seite von Franz Morak am Volkstheater (1971) über das Lehar Festival Bad Ischl, wo sie 2013 nicht zuletzt die Namensvetterin "Hello, Dolly!" inszenierte, bis zum Rainhard-Fendrich-Musical "I Am From Austria", in dem sie zwischen 2017 und 2019 als Concierge Elfie Schratt Pointen ablieferte.
Die 1946 in Wien geborene Tochter eines Staatsopernsängers und einer Lehrerin absolvierte neben einer Kosmetikerinnenlehre die Schauspielschule Krauss. Schon nach ihren ersten Engagements in Kellertheatern und in Gerhard Bronners Kabarett "Theater am Kärntnertor" trat sie in zahlreichen Kabarettsendungen im Fernsehen auf. 1965 wurde sie ans Volkstheater engagiert und spielte dort u.a. die Polly in Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" und die Julie in Molnars "Liliom".
Mit ihrem ersten Mann, dem Musiker Dai King, begann sie Lieder zu schreiben und feierte 1977 mit dem Liedprogramm "Gurken haben keine Tränen" ihren ersten größeren Erfolg. Es folgten weitere Shows, LPs, Musical-Engagements im Theater an der Wien (u.a. "Cabaret") und Ausflüge nach Deutschland, u.a. ans Hamburger Thalia Theater. 1979 wurde Schmidinger Mitglied des Theaters in der Josefstadt, wo sie u.a. Shakespeare, Horvath und Nestroy spielte, aber auch Peter Turrinis "Grillparzer im Pornoladen" an der Seite von Otto Schenk (1994).
Mit "Immer bins i!" legte sie 1988 ihr erstes eigenes Kabarettprogramm vor, zwei Jahre später gelang ihr "Mit den Waffe(l)n einer Frau" der Durchbruch auf diesem Sektor. Es folgten u.a. "Die nackte Matrone", "Domina im Ausverkauf" oder "Die Queraussteigerin". Ein breites Publikum erreichte sie aber auch durch ihre zahlreichen Auftritte in Film und Fernsehen, u.a. in Houchang Allahyaris "I love Vienna" und den ORF-Serien "Kaisermühlenblues" oder "Ein echter Wiener geht nicht unter".
Für Diskussionen sorgte sie wegen ihrer unübersehbaren Schönheitsoperationen - und verteidigt ihr gestrafftes Gesicht mit jener Offenheit und jenem Selbstbewusstsein, das sie immer schon ausgezeichnet hat. So sorgte die Mutter zweier Töchter 1995 für Aufsehen, als sie für ein Plakat der Aids-Hilfe nackt posierte. Offen äußerte sie sich aber auch über jüngere Liebhaber als Unterstützung beim Jungbleiben, ihre überwundene Alkoholsucht und Bulimie.
Ihr 1998 erschienenes Buch "Raus damit! Bulimie: ein autobiographischer Ratgeber" wurde zum Bestseller. 2009 unterzog sie sich in ihrem Programm "Endlich suchtfrei" einer Therapie gegen Kaufrausch. 2014 ging sie mit "Im Bett mit dem Teufel" gar unter die Krimiautorinnen.
Schmidinger, die u.a. mit dem Karl-Skraup-Preis (1975), dem Nestroy-Ring der Stadt Wien (1988) und dem Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2003) ausgezeichnet wurde, hat seit 2005 ihrer vielseitigen Biografie auch eine erfolgreiche Regiekarriere hinzugefügt: Ihrem Regiedebüt bei den Leharfestspielen in Bad Ischl mit Millöckers "Bettelstudent" folgen u.a. Inszenierungen im Simpl, den Kammerspielen und im Kosmos Theater. Mit "Zigeunerbaron" und "Der fidele Bauer" (2010) in Bad Ischl oder einem slapsticklastigen "Vogelhändler" in Linz (2008) etablierte sie sich als Operettenspezialistin.
In eigenen Worten auf ihr bewegtes Leben und ihre vielseitige Karriere zurückblicken wird Schmidinger zwei Tage nach ihrem Geburtstag. Am Donnerstag (23. September) ist sie gemeinsam mit Heinz Zuber und Andrea Händler im Wiener RadioKulturhaus in der Nostalgiereihe "Aus dem Archiv" zu Gast.
(S E R V I C E - "Hannerl und ihr zu klein geratener Prinz" von Dolores Schmidinger, Kremayr & Scheriau, 160 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-218-01265-2; Dolores Schmidinger zu Gast in der Reihe "Aus dem Archiv", 23. September, 20 Uhr, RadioKulturhaus, Großer Sendesaal, Karten 25 Euro; https://radiokulturhaus.orf.at/)
Zusammenfassung
- Auch wenn sie auf der Bühne und TV zuletzt kaum noch präsent war, ist Dolores Schmidinger nach wie vor produktiv.
- Schon nach ihren ersten Engagements in Kellertheatern und in Gerhard Bronners Kabarett "Theater am Kärntnertor" trat sie in zahlreichen Kabarettsendungen im Fernsehen auf.
- Es folgten weitere Shows, LPs, Musical-Engagements im Theater an der Wien und Ausflüge nach Deutschland, u.a. ans Hamburger Thalia Theater.