Die soziale Landschaft der USA: Sternfeld in der Albertina
Anlass für die Ehrung ist eine Schenkung Sternfelds an die Fotosammlung des Hauses, die insgesamt 349 Werke umfasst, darunter 104 der "American Prospects". Eine Auswahl davon hat Kurator Walter Moser nun für die Ausstellung zu einem Panoptikum der USA unter den US-Präsidenten Carter und vor allem Reagan kompiliert. Auch wenn sich dabei Porträts an Landschaftsaufnahmen und Industriefotografie reihen, entwickelt sich in den Räumen ein überraschend stringentes Mosaik, das sich zu einem klaren Bild zusammensetzt.
"Es geht um das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt", benennt Moser gegenüber der APA den Roten Faden der umfangreichen Serie. Aus diesen zwei Polen entsteht gleichsam die soziale Landschaft Amerikas. Oftmals erinnert Sternfelds Blick an die perspektivische Behandlung der Landschaft durch die flämischen Meister, immer wieder gemahnt die Bildkomposition an Caspar David Friedrich, wenn im Vordergrund ein kleiner Betrachter den Blick in die weitere Landschaft lenkt, und nicht selten erinnern die teils tristen, leeren Tableaus an den Aufbau in Edward Hoppers Werken.
Im Unterschied zu diesen Vorbildern aus der Kunstgeschichte scheint in den Arbeiten Sternfelds jedoch stets augenzwinkernde Ironie durch, ist der Fokus auf Absurditäten und Skurrilitäten gerichtet. Dabei findet ein Sektenmitglied im Erdloch ebenso seinen Platz wie die blanke Armut von Migranten, eine Fischerin vor einem monumentalen Kriegsschiff oder ein voller Kühlschrank nach einem Tornado. Joel Sternfeld erzählt mit seinen Bildern Geschichten - oder besser: Wir erzählen sie uns selbst im Angesicht seiner Aufnahmen.
Idyllisch sind die Fotografien dabei nie, sondern Kommentare zum Umgang der Menschheit mit der Natur. Hierbei offenbart der gebürtige New Yorker ein erstaunlich früh erwachtes Bewusstsein für die Zerstörung der Umwelt, die er in ungestellten, wenn auch nicht spontanen Aufnahmen angesichts der Verwendung einer nicht sehr flexiblen Plattenkamera festhält.
Sternfeld gehörte dabei zu jener Gruppe an Fotokünstlern, die in den 70ern die Farbe als Medium der künstlerischen Fotografie rehabilitierten. Und doch geht er dezent mit dem Stilmittel um. Die Farben sind pastos eingebunden, wirken oftmals wie hinter einer Staubschicht. Hinter diesem Firnis scheint allerdings eine Wahrheit über ein Land durch.
(S E R V I C E - "Joel Sternfeld. American Prospects" noch bis 21. Jänner 2024 in der Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien. Am 13. Oktober ist Joel Sternfeld zum Künstlergespräch in der Albertina angekündigt. www.albertina.at/ausstellungen/joel-sternfeld/)
Zusammenfassung
- Es ist ein breiter visueller und thematischer Bogen, den Joel Sternfeld mit seiner zwischen 1978 und 1986 entstandenen Fotoserie "American Prospects" über die USA spannte.
- Der heute 79-Jährige fuhr teils monatelang im VW-Bus durch die Weiten des Landes und porträtierte dessen Menschen in ihren Landschaften.
- Stets mit einer gewissen Distanz und humorvollem Blick, der die beißende Sozialkritik mildert.