APA/BARBARA GINDL

"Cosi" in Salzburg maximaler Erfolg mit Minimalismus

Maximaler Erfolg mit maximalem Minimalismus: Nach dem guten Erfolg der "Elektra" tags zuvor ist den Salzburger Festspielen mit der zweiten Oper der Ausgabe 2020, der coronabedingt gekürzten "Cosi fan tutte", nun der Paukenschlag geglückt. Am Ende stand im Festspielhaus ein umjubelter Triumph für alle Beteiligten - auf, hinter und vor der Bühne.

Maximaler Erfolg mit maximalem Minimalismus: Nach dem guten Erfolg der "Elektra" tags zuvor ist den Salzburger Festspielen mit der zweiten Oper der Ausgabe 2020, der coronabedingt gekürzten "Cosi fan tutte", nun der Paukenschlag geglückt. Am Ende stand im Festspielhaus ein umjubelter Triumph für alle Beteiligten - auf, hinter und vor der Bühne.

Radikaler kann man eine szenische Inszenierung wohl nicht auf das Wesentliche eindampfen, als es Regisseur Christof Loy und sein Bühnenbildner Johannes Leiacker getan haben: Eine weiße Wand mit zwei weißen Türen hinter geweißelter Bühne ohne jegliches Requisit bildet das Passepartout für diesen außergewöhnlichen Abend.

Der weiße Nicht-Raum bietet ein beinahe klinisches Ambiente für die berühmte Versuchsanordnung, die Mozart und sein Librettist Lorenzo Da Ponte mit der "Cosi" entworfen haben: Die Treueprobe zweier Liebhaber an ihren Geliebten. Die einzige Farbe, die hier ins Spiel kommt, sind kurzzeitig die Verkleidungen der beiden Liebhaber, wobei Loy dankenswerterweise auf große Türkenschnauzbärte und derlei Firlefanz verzichtet. Und ein einziges Mal öffnet sich das endlose Weiß und gibt für wenige Momente den Blick auf eine mächtige Platane frei.

Dass diese radikale Reduzierung auf die Protagonisten funktioniert, liegt an einem erstaunlich charmanten Quartett, dem sich in diesem Falle vollends ebenbürtig das Buffopaar aus einer frech und nicht löwingerbühnisch agierenden Lea Desandre als Despina sowie Johannes Martin Kränzle als verschmitzt-diabolischer Don Alfonso beigesellt. Vor allem muss man aber kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass sich Salzburg mit dem derzeitigen Berliner Jungstar Elsa Dreisig einen neuen Festspielliebling angelacht hat. Die Franko-Dänin hat mit ihren noch nicht einmal 30 Jahren einen glasklaren und doch lyrisch abgerundeten Sopran, der sie praktisch zur archetypischen Fiordiligi macht.

Der mittlerweile stimmlich exzellent gereifte Andre Schuen bildet als Guglielmo mit ihr das Traumpaar. Marianne Crebassa ist da die etwas derbere Dorabella mit dem nasal-leichten Mozarttenor Bogdan Volkov als Ferrando an ihrer Seite - und somit das perfekte Gegenstück im komprimierten Paarreigen.

Schließlich lautete die Salzburger Vorgabe an Regisseur Loy und die junge Salzburg-Debütantin Joana Mallwitz als Dirigentin, eine um rund eine Dreiviertelstunde gekürzte Schnittfassung der "Cosi" zu erarbeiteten. Und die beiden lieferten. Primär wurden Rezitative geschnitten - und das funktioniert erstaunlich gut. Man fragt sich am Ende, wo die Dreiviertelstunde blieb, die man mit dieser Fassung "gewinnt".

Gewisse rezitative Längen werden hier schlicht modernen Sehgewohnheiten angepasst. Wie ein Film 1960 noch die einzelnen Bewegungselemente einer Sequenz in einzelne Schnitte auflöste - also etwa die Ankunft eines Wagens, das Öffnen der Tür, der Fuß, der aufs Pflaster steigt und so fort - ist das Publikum heutzutage weit schnellere Schnittfolgen gewöhnt, weiß vermeintliche Lücken in der Narration logisch zu füllen. Und bei Repertoireklassikern der Opernliteratur, deren Geschichte ohnedies bekannt ist, gilt dies umso mehr.

Die Erarbeitung dieser Strichfassung ist aber nicht der einzige Verdienst der Nürnberger Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz. Frappant ist es, sie zu beobachten, wie sie am Pult die Wiener Philharmoniker durch den Abend leitet. Der große Variantenreichtum der musikalischen Interpretation entspringt bei ihr bisweilen buchstäblich dem kleinen Finger, bisweilen aus dem gesamten Körper. Über die lyrischen, fein gesponnenen Strecken lenkt sie das Renommierorchester mit nichts weiter als einem eleganten Knick im Handgelenk, durch den die Linke gleich einer sich würdevoll durchs Wasser gleitenden Anakonda den Apparat führt. Dann wieder scheint sie das Orchester mit allem Schwung des Oberkörpers geradezu anzuschieben. Über weite Strecken führt sie die Musiker jedoch mit freudestrahlend aufrechter Haltung präzise schlagend, symmetrisch gezirkelt durch einen außergewöhnlichen Abend.

ribbon Zusammenfassung
  • Maximaler Erfolg mit maximalem Minimalismus: Nach dem guten Erfolg der "Elektra" tags zuvor ist den Salzburger Festspielen mit der zweiten Oper der Ausgabe 2020, der coronabedingt gekürzten "Cosi fan tutte", nun der Paukenschlag geglückt.
  • Am Ende stand im Festspielhaus ein umjubelter Triumph für alle Beteiligten - auf, hinter und vor der Bühne.
  • Man fragt sich am Ende, wo die Dreiviertelstunde blieb, die man mit dieser Fassung "gewinnt".