"Belshazzar" im TaW: Einer Umweltsau geht es an den Kragen
Verantwortlich für die Inszenierung im TaW ist die französische Regisseurin Marie-Eve Signeyrole. Sie transponiert das naturgemäß christlich-religiöse Geschehen des Oratoriums in eine Welt des Umweltspiritismus und der Frauenherrschaft. Der jüdische Seher Daniel, wie sein Volk in der Gefangenschaft des babylonischen Gewaltherrschers, ist bei ihr eine blinde Daniela, die als Mikrobiologin eine Affäre mit der Königsmutter Nitocris hat. Und auch der persische Prinz Cyrus ist nicht (nur) wohltätiger Eroberer des babylonischen Sündenpfuhls, sondern auch Umweltaktivist, der die internationale Wasserrechtsdeklaration verkündet und die Massen damit um sich schart - respektive ebenfalls eine Frau ist, wie sich am Ende herausstellt. Am weiblichen Wesen soll also die Welt genesen.
Manche Sequenz wie etwa eine Orgie im Hause Belshazzar ist szenisch durchaus gut gelöst, oftmals stößt sich das Regiekonzept aber an der allzu konkreten Ausdeutung der Grundidee. Signeyrole stellt bei ihrem Wiendebüt dabei ihre Erfahrung als Filmregisseurin augenscheinlich unter Beweis. Die Akteure werden praktisch durchgängig mitgefilmt, das Geschehen auf der Bühne durch Projektionen verdoppelt. "Royal TV" überträgt live das Geschehen aus dem Palast. Zum Teil werden während Arien auch noch separate Aktionen auf der Bühne gesetzt, die wiederum auf deren Rand projiziert werden - eine Ballerei der Impressionen, welche die Musik bisweilen zum Soundtrack degradiert. Denn so eine gängige Folterszene mag hie und da schon mal von einer Arie ablenken.
Davon profitiert allerdings manch Sänger des Abends, allen voran der britische Tenor Robert Murray in der Titelpartie, der zwar eine tadellose Schauspielleistung als dekadenter Tyrann abliefert, der das Leid seines Volkes ignoriert, stimmlich jedoch schnell an seine Grenzen gerät. Sohnemann fehlt die Höhe, Muttern die Tiefe, bietet Jeanine De Bique aus Trinidad und Tobago als elegante Altherrscherin zwar eine solide Mittellage, hadert allerdings mit den Koloraturen. Und auch die große Vivica Genaux müht sich trotz elektronischer Verstärkung, im MQ eine stimmliche Strahlkraft zu entwickeln, die ihre Umweltaktivistin auf Thunberg'sches Charisma heben würde.
Christina Pluhars L'Arpeggiata im Graben reißt die Aufmerksamkeit hier ebenfalls nicht an sich und bietet zwar eine engagierte, aber nur selten freche Interpretation der Partitur. Wirklich zu überzeugen weiß an diesem Abend letztlich nur die junge französische Sopranistin Eva Zaïcik, die als blinde Daniel(a) satt und tragend ihre Partie interpretiert. Einzig der Arnold Schoenberg Chor gesellt sich ihr in dieser Qualität hinzu, ist die Formation naturgemäß bei den Händel-Oratorien doch gefordert. Die Beteiligten schlagen sich wacker als Invasionsarmee, Orgienfeierer und Amenschmetterer. Da kann ihnen keiner das Wasser reichen.
(S E R V I C E - "Belshazzar" von Georg Friedrich Händel im Theater an der Wien im MQ, Halle E, 1070 Wien. Musikalische Leitung der L'Arpeggiata: Christina Pluhar, Inszenierung: Marie-Eve Signeyrole, Bühne: Fabien Teigné, Kostüm: Yashi. Mit Belshazzar - Robert Murray, Nitocris - Jeanine De Bique, Cyrus - Vivica Genaux, Gobrias - Michael Nagl, Daniel - Eva Zaïcik. Weitere Aufführungen am 22., 24., 26. und 28. Februar sowie am 2. März. www.theater-wien.at/de/spielplan/62/Belshazzar)
Zusammenfassung
- Dieser Umweltsau geht es an den Kragen: Der babylonische Despot Belshazzar muss in Georg Friedrich Händels gleichnamigem Oratorium dran glauben - nachdem er nicht ans Judentum glauben möchte.
- Die Akteure werden praktisch durchgängig mitgefilmt, das Geschehen auf der Bühne durch Projektionen verdoppelt.
- (S E R V I C E - "Belshazzar" von Georg Friedrich Händel im Theater an der Wien im MQ, Halle E, 1070 Wien.