Autorin Ilse Helbich feiert heute ihren 100. Geburtstag
Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hatte die Jubilarin am Freitag in ihrer Wiener Wohnung besucht und eine Anerkennungsgabe und eine Medaille überreicht. "Mit Ihrer autobiografisch geprägten Literatur nehmen Sie uns Lesende mit in vergangene Zeiten, von denen zu wissen für uns so wichtig ist, um das Heute zu verstehen", so die Stadträtin laut einer Aussendung. "Als Akrobatin der Erinnerung spannen Sie so ein tragfähiges Seil in die Vergangenheit, auf dem zu tänzeln Ihnen scheinbar mühelos gelingt."
Geboren wurde Ilse Helbich am 22. Oktober 1923 in Wien, wo sie später Germanistik studierte. Sie arbeitete publizistisch etwa zur Biografie Ludwig Wittgensteins, schrieb zahlreiche Radiocollagen für den ORF sowie Kolumnen für "Die Presse". Ihre späte Autorinnenkarriere schlug sich u.a. in den Büchern "Schwalbenschrift" (2003), "Die alten Tage" (2004), "Iststand. Sieben Erzählungen aus dem späten Leben" (2007) und "Fremde. Erzählungen" (2010) nieder.
In ihrem Roman "Das Haus" (2009) verarbeitete sie die Geschichte eines von ihr 1985 im Ortszentrum von Schönberg am Kamp erworbenen alten Hauses, das sie renovieren ließ. 2012 erschien der Band "Grenzland Zwischenland. Erkundungen", vorsichtige Erfahrungsberichte von den einschneidenden Veränderungen, die das Alter mit sich bringt, vom Leben mit zunehmender Erblindung, vom Kampf um die Hoheit über das eigene Wort und die eigene Erinnerung. In "Vineta" (2013) erinnerte sie sich in vielen kurzen Kapiteln an ihre Kindheit in Wien. In Prosaminiaturen werden Bilder, Klänge und Gerüche von einst heraufbeschworen, vom Kreischen der Tramwaybremsen bis zum Teppichklopfen.
2017 erschien ihre Sammlung früher und später Gedichte "Im Gehen", in dem auch die zunehmende Immobilität und andere Veränderungen im hohen Alter thematisiert werden. Darin hieß es: "Es ist gesagt, was zu sagen war. Das Andere, das jetzt ist, entzieht sich den Worten. Tief innen ist jetzt eine Melodie, die sich dem Nachsingen versagt." Doch das war nicht ihr letztes Wort: 2020 versammelte in dem Band "Diesseits. Gesammelte Erzählungen" einen Rückblick auf ihr Prosaschaffen, in dem sie auch noch unveröffentlichtes Material fand.
Im Alter von 97 Jahren legte sie schließlich "Gedankenspiele über die Gelassenheit", in der sie teils hochdramatische Erinnerungen ans Tageslicht holte: von der schweren Lungenentzündung als Vierjährige bis zum Aufgespießtwerden durch einen großen Holzspan als Dreizehnjährige. "Und ich selbst weiß noch immer nicht, ob ich eine gelassene alte Frau geworden bin", schreibt sie dort. "Und dennoch. Ich werde zuhause bleiben in meiner Gelassenheit, zuhause in diesem Lebensvertrauen, dem ich mich anvertraue." Im Vorjahr folgte schließlich der Band "Anderswohin. Vom Träumen, Suchen und Finden", in dem sie Erinnerungen, Selbstreflexionen, philosophische Sequenzen sowie eingestreute "Protokolle" von Gedanken verband.
Kurz vor dem 100er ist im Droschl Verlag ein neues Buch von Ilse Helbich erschienen: "Wie das Leben so spielt" versammelt drei literarische Dorfgeschichten, in denen ab und zu "Krimi-Elemente aufblitzen, sich Abgründe auftun und die Zugereisten als Störenfriede, Wunden-Aufreißer oder Außenseiter in Erscheinung treten".
Auf www.literaturkanal.tv ist ein 69-minütiger, vom Literaturhaus Berlin in Auftrag gegebener Film über Ilse Helbich abrufbar: In "Besuch der alten Dame" spricht die Autorin mit der Literaturkritikerin Sieglinde Geisel und der Kulturwissenschafterin Simone Schröder. Am 16. November (19 Uhr) würdigt die Österreichische Gesellschaft für Literatur in Wien die Jubilarin mit einer hochkarätig besetzten Veranstaltung: Burgschauspielerin Dörte Lyssewski liest, Franz Schuh moderiert.
Zusammenfassung
- Ihren ersten Roman brachte Ilse Helbich mit 80 heraus, ihr Lyrikdebüt "Im Gehen" erschien mit 94 Jahren.
- Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hatte die Jubilarin am Freitag in ihrer Wiener Wohnung besucht und eine Anerkennungsgabe und eine Medaille überreicht.
- 2017 erschien ihre Sammlung früher und später Gedichte "Im Gehen", in dem auch die zunehmende Immobilität und andere Veränderungen im hohen Alter thematisiert werden.