"Akademie Zweite Moderne" will Konzertbetrieb verändern
Die nicht-binäre "Klangkünstler:in, Komponist:in und Heiler:in" aus Südafrika sprach aus, was wohl alle zehn am vergangenen Wochenende nach Wien gekommenen Komponistinnen fühlten: Man dürfe nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und es bei Lippenbekenntnissen und schönen Deklarationen belassen. Die gibt es nämlich als Resultat dieses ersten Vernetzungstreffens auch, nämlich eine "Declaration towards a greater Diversity in Music Curation". "Diese Deklaration ist nicht nur ein Papier, wir sollten sie auch richtig anwenden", meinte die deutsch-österreichische Komponistin Brigitta Muntendorf und versicherte: "Jeder kann etwas in diesem Papier finden, auch wenn die Häuser und Veranstalter sehr verschieden sind."
Als Teilnehmende an den Diskussionen, die zur Formulierung des Deklarationstextes führten, sind Vertreterinnen und Vertreter u.a. von Volksoper und Musikverein, von der Dutch National Opera und der Elbphilharmonie, vom African Woman's Orchestra und dem Tokyo Metropolitan Theater, vom Opera Ballet Vlaanderen und der Open Opera Ukraine aufgelistet. "Es ist schon ein Erfolg, dass so viele Institutionen anwesend waren - nun geht es an das Implementieren dessen, was wir uns vorgenommen haben", sagte Dramaturgin und Projektleiterin Jana Beckmann, die Initiatorin der "Akademie Zweite Moderne".
Vorgenommen hat man sich viel, wie aus den "Strategic Fields of Action" der Deklaration hervorgeht. Gefordert wird etwa eine intensivere kuratorische Befassung mit Gegenwartsmusik, aber auch mit Musik-Proponenten, die in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen wenig Berücksichtigung erfuhren. Gleichzeitig möge man mehr über Fragen der kulturellen Aneignung reflektieren, das Repertoire deutlich diverser machen und eigenständigen künstlerischen Positionen mehr Raum geben. Nachhaltigkeit müsse in jeder Hinsicht intensiviert werden - etwa auch in der Programmierung und in der Verbreitung neuer Werke. Jährliche Treffen sollen den Erfahrungsaustausch fördern und dafür sorgen, dass die neue Initiative keine Eintagsfliege bleibe.
Das sei auch das erklärte Ziel der "Akademie Zweite Moderne", versicherte Festwochen-Intendant Milo Rau, der sich von den Gesprächen, aber auch von den Konzerten des vergangenen Wochenendes überwältigt zeigte. "Das ist nur ein Start für das, was wir in den nächsten Jahren weiterführen wollen." Während Raus Amtszeit sollen jedes Jahr zehn Komponistinnen eingeladen werden, sodass am Ende 50 "Frauen und / oder trans, inter*, nicht-binäre Personen" dabei waren - eine für jede der vergessenen und ungehörten 50 Kompositionsschülerinnen Arnold Schönbergs. "Wenn wir zehn Jahre bekommen, werden wir das hier weitermachen - sonst halt woanders", so der Festwochen-Intendant, ganz unter dem "Eindruck eines historischen Moments".
Ziel der "Akademie Zweite Moderne" ist die Selbstverpflichtung von Theatern, Opern, Konzerthäusern und Festivals, den heute laut Festwochen-Angaben bei nur 7,7 Prozent liegenden Werkanteil von Komponistinnen in ihrem Programm deutlich zu erhöhen. Mit der Wiener Initiative könne man diesem Ziel vielleicht ein Stück weit näher kommen, meinten auch die in New York lebende chinesische Komponistin und Multiinstrumentalistin Du Yun und die iranische Komponistin Aida Shirazi. Die Mitbegründerin der "Iranian Female Composers Association" versicherte: "Auch wenn im Iran die spezifischen Umstände besonders schwierig sind: Die Probleme sind im Grunde überall dieselben."
(S E R V I C E - https://www.festwochen.at/akademie-zweite-moderne )
Zusammenfassung
- Die 'Akademie Zweite Moderne' soll die Unterrepräsentanz von Komponistinnen im Konzertbetrieb bekämpfen. Eine 'Declaration towards a greater Diversity in Music Curation' wurde vorgestellt.
- Festwochen-Intendant Milo Rau plant, jährlich zehn Komponistinnen einzuladen, um insgesamt 50 ungehörte Komponistinnen zu fördern. Der derzeitige Werkanteil von Komponistinnen liegt bei nur 7,7 Prozent.
- Jährliche Treffen sollen den Erfahrungsaustausch fördern und die Nachhaltigkeit der Initiative sicherstellen. Internationale Institutionen wie die Volksoper und die Elbphilharmonie unterstützen die Initiative.