Absurder Abend an denkwürdigem Tag: "Der Boss vom Ganzen"
Ravn hat eine IT-Firma in Dänemark. Noch wichtiger als das Geschäft ist ihm aber die Zuneigung seiner Mannschaft, er ist lieber everybodys Knuddelbär als der Big-Boss. Also tut er so, als wäre er nur ein Angestellter, der einfach die Anweisungen des "Boss vom Ganzen" weitergibt. Er selbst kann nix dafür. Als ein Käufer mit dem Chef persönlich verhandeln will, engagiert er für den Termin den Schauspieler Kristoffer, um diese Rolle zu spielen. Weil die Belegschaft ungeplanterweise mitbekommt, dass der ominöse "Boss vom Ganzen" im Haus ist, muss Kristoffer sein Impro-Theater auf unbestimmte Zeit verlängern.
Dummerweise weiß er gar nichts über die Figur, die er spielen soll, nicht einmal deren Namen, und noch weniger über die IT-Branche. Ist Outsourcing immer gleich Offshoring und was produziert die Firma eigentlich? Kristoffer kann sich nur auf seinen Guru Antonio Stavros Gambini, Autor des unterschätzten Dramas "Die gehängte Katze", stützen. Das funktioniert aber auch nur so lala. Nicht gerade unkomplizierter wird die Sache dadurch, dass Ravn in den vergangenen Jahren E-Mails im Namen des "Boss" an die Mitarbeiter geschickt hat und jeder von ihnen einen anderen Chef kennt. Und was hat er eigentlich der in ihn verliebten Heidi (Tanja Raunig) versprochen? Doch nicht ...?!
Lars von Triers gleichnamiger Film aus dem Jahr 2006 war nur mittelmäßig erfolgreich - im Theater bietet die absurde Story aber Möglichkeiten für das Ensemble und Leading-Team rund um Stephanie Mohr, sich zu entfalten. Die Bühne von Florian Parbs ist ein sich drehendes Labyrinth aus Büroräumlichkeiten samt Klo und Kantine, ebenso verschachtelt wie die Beziehungen der Agierenden. Das gut eingespielte Ensemble - von Eva-Maria Aichner als "arme Mette", die sich vor dem Kopierergeräusch fürchtet, über Horst Heiss als Gorm, den das Wetter auf die Palme bringt, bis zu Benedikt Steiner als eifriger Nalle - bildet eine schrullig-sensible Belegschaft, die gerne motivierende Kinderlieder singt und auf Gruppenkuscheln steht.
Bequeme Boss-Weglegung
Klar, dass der hilflos-harmoniebedürftige Ravn (Klaus Müller-Beck) da lieber mitknuddelt, als die Spaßbremse zu machen, die den Betriebsausflug cancelt. Den "Boss", der die Firma verkaufen, die Mitarbeiter entlassen und sie um ihre Anteile bringen will, hat er von sich entkoppelt, Boss-Weglegung quasi. Kristoffer (Jan Nikolaus Cerha) nimmt diesen verschmähten Persönlichkeitsteil auf und mangels Rollenvorgaben entwickelt er ein Eigenleben.
Für komische Momente sorgen auch "die Isländer", die die Firma kaufen wollen, aber mit der sentimentalen dänischen Mentalität kollidieren, und Sebastian Hufschmidt als Erzähler. Ein skurriler, vergnüglicher und gut gemachter Abend im Linzer Schauspielhaus. Mag manchem vielleicht die große Kritik am Turbokapitalismus gefehlt haben - die zeitgleich im Oval Office über die Bühne gegangenen Szenen zeigen, dass die Ausgestaltung von Hierarchien auf der zwischenmenschlichen Ebene ein ebenso aktuelles Thema von möglicherweise enormer Tragweite ist.
(Von Verena Leiss/APA)
(S E R V I C E - "Der Boss vom Ganzen" von Lars von Trier, österreichische Erstaufführung. Inszenierung: Stephanie Mohr, Bühne: Florian Parbs, Kostüme: Nini von Selzam, Musik: Wolfgang Schlögl. Mit Jan Nikolaus Cerha (Kristoffer), Klaus Müller-Beck (Ravn), Katharina Hofmann (Lise), Tanja Raunig (Heidi A.), Eva-Maria Aichner (Mette), Benedikt Steiner (Nalle), Horst Heiss (Gorm), Helmuth Häusler (Spencer), Theresa Palfi (Kisser), Jonas Hämmerle (Übersetzer), Alexander Julian Meile (Der Isländer, Finnur Sigurson), Sebastian Hufschmidt (Erzähler/Jokumsen). Weitere Vorstellungen am 5., 13., 19., 22., 25., 29. März, und 5., 11., 14. April, Schauspielhaus Linz, www.landestheater-linz.at)
Zusammenfassung
- Lars von Triers Komödie 'Der Boss vom Ganzen' wurde im Linzer Schauspielhaus uraufgeführt und erhielt Applaus für zweieinhalb vergnügliche Stunden voller Humor.
- Die Handlung dreht sich um Ravn, der seine Rolle als Chef einer IT-Firma versteckt, indem er den Schauspieler Kristoffer engagiert, um den 'Boss vom Ganzen' zu spielen.
- Die Inszenierung von Stephanie Mohr nutzt eine rotierende Bühnenkonstruktion, um die komplexen Beziehungen der Charaktere darzustellen, während die Aufführung ohne deutliche Kapitalismuskritik auskommt.