20. donaufestival bietet Märsche, Doppelgänger und Gespräche
"Als wir uns für diese Themensetzung entschieden haben, ging das von den Irritationen in der Linken und liberalen Welt aus", erklärte Festivalleiter Thomas Edlinger im APA-Gespräch. "Das hat sich anhand verschiedener Positionen, die in Bezug auf Nahost oder den Angriffskrieg auf die Ukraine aufeinanderprallen, gezeigt." Andererseits hätten sich während der Coronapandemie "seltsame Querfronten gebildet zwischen verschiedenen Staats- und Autoritätsallergikern, die sich auf Punkte einigen konnten, von denen man nicht dachte, dass es möglich ist".
Das zeichnet etwa der Dokumentarfilm "Schwester Courage" des Kollektivs Zugang nach, das eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Berlin begleitet hat. "Die traf auf eine Gegendemo, wo skandiert wurde: Ihr marschiert mit Nazis! Dann schwenkt die Kamera und man sieht die mit diesem Vorwurf konfrontierten Personen, die sich darüber empören und ihrerseits zurückrufen: Selber Nazis!", beschrieb Edlinger die absurde Situation. "Das fand ich ein gut verdichtetes Bild für viele der Zustände, mit denen wir mittlerweile umgehen müssen. Natürlich haben politische Entwicklungen, besonders angetrieben von Trump, ihr Übriges dazu beigetragen, dass sich dieses Thema verschärft und pointiert hat, wie wir es gar nicht vorhergesehen haben."
Marschkapelle, Doppelgänger und Physis
Andererseits können Irritationen den Anstoß zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung liefern. Als solche sei etwa Regina José Galindos Projekt "El Gran Retorno" zu sehen: "Sie wird im Kremser Stadtraum eine Kapelle organisieren, die dort Militärmärsche spielen wird. Nur wird sich diese Kapelle rückwärts bewegen." Turner-Preisträger Jeremy Deller wiederum schmuggelt einen Satz in den öffentlichen Raum, "der ebenfalls eine Aussage zur Gegenwart trifft", so Edlinger. "Beide Aktionen haben ein gewisses Verwirrpotenzial, das aber in eine ganz andere Richtung zeigt."
Ein Auftragswerk steuert das Wiener Performancekollektiv God's Entertainment mit "DU DU DA DA NA NA NAH" bei, das einen Donau-Doppelgänger in Aussicht stellt. "Sie werden eine Art Double gestalten. Da kursieren viele Ideen. Eine Zeit lang war tatsächlich ein Wasserweg im Spiel, aber der Realismus hat einen Strich durch diesen surrealen Traum gemacht", schmunzelte Edlinger. "Jetzt sind es aber andere, leicht surreal verschobene architektonische Setzungen, die diese sowohl als Installation wie auch Performance fungierende Arbeit ausmachen werden." Thematisiert werde die Donau laut Programmheft als Handelsweg ebenso wie Migrationspassage, Staatsgrenze oder Sehnsuchtsraum.
Eine weitere Performancearbeit kommt von Göksu Kunak, die in "Bygone Innocence" einen Autounfall in der Türkei 1996 als Ausgangspunkt nutzt, um die teilweise Vernetzung zwischen politischer und krimineller Sphäre aufzuzeigen. "Das ist insofern interessant, weil es in das Herz von vermeintlichen und tatsächlich stattfindenden Verschwörungen zielt", ergänzte Edlinger. "Die Idee der Verschwörung wird heute ja ständig herbeizitiert - sowohl aus verständlichen wie unverständlichen Gründen." Verschiedene Lebensrealitäten verweben wiederum El Conde de Torrefiel in "La luz de un lago" zu einer assoziativen Arbeit voller Widersprüche, während Eman Husseins "Smell of Cement" die Physis körperlicher Arbeit auf der Baustelle in ein Tanzsolo übersetzt.
Tradition trifft Moderne
Im Musikprogramm stechen Namen wie die schwedische Avantgardekomponistin Anna von Hausswolff oder die britische Rockband Spiritualized um Sänger Jason Pierce hervor. Mit Spannung darf auch der Auftritt des irischen Quartetts Lankum erwartet werden, hat die Gruppe in den vergangenen Jahren doch mit großartigen Songs begeistert, die zwischen klassischer Folkanmutung und experimentellem Drone changieren. Eine Schnittmenge aus Klang, Bild und KI wird für "Polylog" von Katharina Ernst versprochen. Die heimische Musikerin arbeitet dafür mit Videokünstler Michael Breyer zusammen. Rap jenseits von Zeitgeist und Trends serviert der New Yorker billy woods, während Jazzvordenker Shabaka Hutchings mit seinem Solodebüt nach Krems kommt.
Ein neues Format wartet mit "A drink with...": "Das findet immer am Vormittag statt und ist ein informelles Zusammenkommen von eingeladenen Künstler:innen mit dem Publikum", so Edlinger. "Es ist ein Get-together, bei dem über die Kunst, die Künstler:innen, aber auch das Leben und den Kaffee gesprochen werden kann. Es ist ein Versuch, eine gewisse Intimität ins Festival zu bringen, auch eine gewisse Nahbarkeit der teilnehmenden Künstler:innen, wo vielleicht auch ganz andere Funken entstehen können." Für Edlinger sei der Verlauf "offen. Es ist nicht klar, wohin das führt, und es ist auch ein bisschen ein Experiment."
Im 20. Jahr des Festivals bleibt man jedenfalls dem Anspruch, Neues zu versuchen und das Publikum herauszufordern, treu. Das Jubiläum habe bei der Programmierung zwar eine Rolle gespielt, "aber keine übertriebene. Wir wollten eine Themensetzung, die sich nicht selber großartig abfeiert, sondern inne hält und versucht, den Status quo zu fassen." Eine Art Geschenk gibt es aber dennoch: Der britische Komiker Kim Noble, der laut Edlinger "zwischen Black Comedy und Performancekunst changiert", steuert den Podcast "Nah am Wasser gebaut" bei. "Er beschäftigt sich mit der Donau, mit Wasser, aber auch mit Tränen. Das ist ein Geschenk an uns, aber auch an unser Publikum. Das erschien uns passend."
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - donaufestival von 2.-4. und 9.-11. Mai an verschiedenen Locations in Krems; Tickets und das vollständige Programm unter www.donaufestival.at)
Zusammenfassung
- Das donaufestival in Krems feiert seine 20. Ausgabe unter dem Motto 'Confusion is Next', inspiriert vom Sonic-Youth-Song.
- Regina José Galindos Projekt 'El Gran Retorno' wird eine Kapelle rückwärts marschieren lassen, um Verwirrung zu stiften.
- Das Wiener Performancekollektiv God's Entertainment präsentiert 'DU DU DA DA NA NA NAH', das die Donau als Thema hat.
- Im Musikprogramm stehen Künstler wie Anna von Hausswolff, Spiritualized und Lankum im Fokus.
- Das Festival findet vom 2.-4. und 9.-11. Mai in Krems statt.