RedNote: Was steckt hinter dem "TikTok-Ersatz"?
In überspitzter Art wendet sich die chinesische Influencerin Roxycat auf TikTok an US-Nutzer:innen: "Hey TikTok-Flüchtlinge!" - damit meint sie diejenigen, die sich derzeit nach einer TikTok-Alternative umschauen und dabei auf die chinesische App RedNote gestoßen sind.
In ihrem "RedNote-Einmaleins" spricht die Influencerin über Respekt vor der chinesischen Kultur und zu vermeidende No-Gos. Gleichzeitig macht sie sich über die absurde Situation lustig.
Videos wie diese kursieren derzeit massenhaft auf TikTok. Sogar in Tutorials wenden sich User:innen an die scherzhaft genannten "TikTok-Flüchtlinge", die sich aus Protest gegen, oder aus Angst vor einem möglichen TikTok-Verbot in den USA einen Account auf RedNote - in China als Xiaohongshu bekannt - zulegen.
Dass es sich bei den zahlreichen Videos nicht nur um selbstlose Hilfestellung handelt, ist anzunehmen. So sehen derzeit vermutlich einige Influencer:innen eine gute Chance, ihre Followerschaft und Reichweite auf RedNote auszubauen.
TikTok-Alternative?
Aufgrund Spionage- und Zensurvorwürfen wird der chinesische Mutterkonzern ByteDance in einem US-Gesetz dazu verpflichtet, TikTok zu verkaufen. Wenn dies bis zum 19. Januar nicht passiert, wird die Videoplattform aus den App-Stores von Apple und Google entfernt. In dem Fall könnte TikTok nicht mehr neu installiert werden und bekäme auch keine Updates mehr.
Es gibt zwar Gerüchte, Tech-Milliardär Elon Musk könnte die US-Abspaltung von TikTok kaufen, bisher gibt es aber keine konkreten Hinweise dafür.
TikTok ist vor allem bei jungen Menschen beliebt. Allein in den USA zählt die App 170 Millionen Nutzer:innen (also rund 50 Prozent der US-Gesamtbevölkerung). Die Angst vor einem TikTok-Verbot treibt nun zahlreiche US-Nutzer:innen zu RedNote, womit die ebenfalls chinesische App am Montag auf den ersten Platz der Downloads im App Store kletterte. Auch in Österreich belegte sie zwischenzeitlich Platz eins.
- Mehr lesen: Aus für Tiktok in den USA: Trump überlegt Aufschub
- Mehr lesen: Albanien verbietet Tiktok für ein Jahr
Was ist Xiaohongshu?
Die in China unter dem Namen Xiaohongshu bekannte App ist nicht neu. Es gibt die beliebte Lifestyle-Plattform bereits seit 2013 und damit länger als TikTok. Xiaohongshu bedeutet übersetzt "kleines rotes Buch" - abgekürzt RedNote – und erinnert damit an die sogenannte "Mao-Bibel", die "Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung", einer der wichtigsten Schriften der chinesischen Kommunistischen Partei.
RedNote-Nutzer:innen beteiligen sich in der App an Diskussionen, teilen Beiträge, können sich gegenseitig anrufen und Produkte kaufen. Die Besonderheit liegt in der Mischung aus sozialem Netzwerk und E-Commerce.
RedNote gilt in China als beliebte Suchmaschine für trendige Themen, unter anderem Beauty, Mode, Reisen und Essen. Die Nutzer:innen in China sind meist jung und weiblich.
Chinesischen Medienberichten zufolge hatte die Plattform im Jahr 2023 mehr als 300 Millionen monatliche aktive Nutzer:innen. Die App wird derzeit mit einem Wert von 14 Milliarden Dollar bewertet, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Trotzdem kommt das Interesse aus den USA unerwartet: Das Mutterunternehmen Xingin Information Technology ist außerhalb von China kaum aktiv. Daher sind die Nutzeroberfläche und Nutzungsbedingungen von RedNote derzeit noch fast vollständig auf Mandarin. Interessierte in den Vereinigten Staaten scheint dies jedoch nicht davon abzuhalten, die App herunterzuladen und zu verwenden.
Aufbruchstimmung und kritische Stimmen
Es kursieren zahlreiche TikToks, in denen User:innen dazu aufrufen, RedNote beizutreten. Das mögliche TikTok-Aus wird in den Videos unterschiedlich wahrgenommen. In einigen erinnert man sich an gute Zeiten und Trends zurück - in anderen zeigen sich die User:innen verärgert. Viele Influencer:innen fürchten um ihre Existenzgrundlage und rufen dazu auf, ihnen auch auf anderen Plattformen wie RedNote zu folgen.
Die auf RedNote bereits etabliertet User:innen erklären den Neuankömmlingen in Tutorials, wie man sich zu verhalten hat, oder wie man ein Profil anlegen kann. Manche TikToker:innen nutzen etwa auch ChatGPT, um sich die Einstellungen übersetzen zu lassen.
Auch Unternehmensaccounts springen auf den Hype auf. So veröffentlichte die Sprach-Lern-App Duolingo ein Kurzvideo mit dem Titel "Mandarin-Sätze für Anfänger" - mit wichtigen Phrasen, um für den Umstieg auf RedNote gewappnet zu sein.
Zunehmend melden sich auf TikTok aber auch kritische Stimmen, die aus datenschutzrechtlichen Gründen vor RedNote warnen.
Zudem sind die Inhalts- und Nutzungsbedingungen nicht ohne: Wie alle anderen chinesischen Apps wird auch RedNote stark reguliert und zensiert. So ist es etwa taiwanesischen Regierungsmitgliedern nicht erlaubt, die App zu nutzen.
Laut Analysen von Expert:innen dürfte der jüngste Ansturm von US-Amerikaner:innen auf RedNote ohnehin von nicht allzu langer Dauer sein, da es sich in erster Linie um einen Protest gegen die US-Regierung handelt, zitiert die "South China Morning Post". Es bleibt also offen, wie viele User:innen RedNote im Fall eines eintretenden TikTok-Verbots tatsächlich als brauchbare Alternative sehen würden.
Es wird ernst für TikTok: USA stellt Ultimatum
Zusammenfassung
- Das bevorstehende US-TikTok-Verbot treibt mehr als eine halbe Million Nutzer:innen zu der chinesischen App RedNote.
- Red-Note liegt derzeit auf Platz Eins im Apple "App Store".
- Es gibt die beliebte Lifestyle-Plattform RedNote bereits seit 2013 und damit länger als TikTok.
- Xiaohongshu bedeutet übersetzt kleines rotes Buch - abgekürzt RedNote – und erinnert damit an die Mao-Bibel.
- RedNote hat mehr als 300 Millionen monatliche aktive Nutzer:innen.
- Wie alle anderen chinesischen Apps wird auch RedNote stark reguliert und zensiert. So ist es taiwanesischen Regierungsmitgliedern nicht erlaubt, die App zu nutzen.
