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Slowenien hofft auf Verzicht der Steiermark auf Hymnen-Pläne

Heute, 03:00 · Lesedauer 6 min

Slowenien hat die Hoffnung geäußert, dass das Land Steiermark auf die umstrittenen Pläne zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Dachsteinlieds verzichtet. Ein solcher Beschluss wäre "inakzeptabel" und könnte in ihrer Heimat als Territorialforderung interpretiert werden, sagte die slowenische Außenministerin Tanja Fajon im APA-Interview auf eine entsprechende Frage. "Ich hoffe, dass sie es sich bis zur Abstimmung (im Landtag) noch überlegen werden", betonte sie.

Das Thema belastet Beobachtern zufolge auch die jahrelange Kooperation zwischen Slowenien und der Steiermark. Fajon sagte, das nächste Treffen des gemeinsamen Komitees sei für Herbst angesetzt, "und bis dahin haben wir Zeit, um zu schauen, wie die nächsten Schritte aussehen". Das Dachsteinlied soll nach dem Willen der ÖVP-FPÖ-Landesregierung in die steirische Landesverfassung geschrieben werden. Die Landeshymne ist wegen ihres aus dem 19. Jahrhunderts stammenden Texts umstritten, weil es auch die seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr zur Steiermark gehörende historische Untersteiermark besingt, unter Verwendung der veralteten Bezeichnung "Wenden" für die dortige slawische Bevölkerung.

Die steirischen Hymnen-Pläne "nützen niemandem", kritisierte Fajon. "Wir leben in einem sehr angespannten geopolitischen Umfeld und brauchen gutnachbarschaftliche Beziehungen und Schritte, die beiden Völkern nützen." Slowenien habe sein Bedauern über diplomatische Kanälen nach Österreich kommuniziert, betonte die sozialdemokratische Politikerin. "Darüber habe ich auch mit meiner Amtskollegin Beate Meinl-Reisinger bei einem Treffen am Freitag gesprochen und wir werden sehen, was sein wird, wenn es zur Abstimmung (im Landtag) kommt", so Fajon, die zugleich betonte, dass diese Frage nicht das wichtigste Thema des Besuchs gewesen sei.

Konkrete Erwartungen in Volksgruppenfrage

Ein "gutes Gefühl" hat Fajon, was die Stärkung der Volksgruppenrechte in Österreich betrifft. Sie würdigte diesbezüglich die Festlegungen im schwarz-rot-pinken Regierungsabkommen und äußerte mit Blick auf den bevorstehenden 70. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrags, der Österreich in Artikel 7 zum Schutz der slowenischen und kroatischen Volksgruppe verpflichtete, die Hoffnung auf konkrete Schritte in den Bereichen Justiz und Bildung. Diesbezüglich stellte sie auch Unterstützung Sloweniens in Aussicht, verbunden mit Selbstkritik. "Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten vermutlich so manche Gelegenheit verpasst, aber jetzt scheint mir die Zeit gekommen, dass wir einen Schritt nach vorne machen", sagte sie auf die Frage nach der Finanzierung von Bildungseinrichtungen auch außerhalb des angestammten Siedlungsgebiets der Volksgruppe, etwa in Großstädten wie Wien und Graz.

"Ich habe der österreichischen Außenministerin vorgeschlagen, dass die neue Regierung die Justizreform in Kärnten - die schon von der vorherigen Regierung vorbereitet wurde - noch heuer abschließt, die allen Angehörigen der slowenischen Minderheit den Zugang zur Verwendung der slowenischen Sprache vor Gerichten im gesamten Siedlungsgebiet ermöglicht", betonte Fajon.

Von Dodik-Einreiseverbot "aus den Medien erfahren"

Gleichklang mit ihrer österreichischen Kollegin sieht Fajon in der Westbalkan-Politik. Diesbezüglich setze Meinl-Reisinger das "Erbe" ihres Vorgängers Alexander Schallenberg fort und es sei auch ein gemeinsamer Besuch in einem Land der Region - Montenegro oder Albanien - in Aussicht genommen. Zum jüngst vom slowenischen Ex-Präsidenten Borut Pahor gemachten Vorschlag, man solle die Westbalkan-Staaten auf einmal in die EU aufnehmen, meinte Fajon, dass dies "vermutlich die meisten Probleme lösen" würde. Doch sei der Entwicklungsstand der sechs Länder so unterschiedlich, dass ein gleichzeitiger EU-Beitritt nur schwer vorstellbar wäre. "Ich wäre außerordentlich froh, wenn es uns gelänge, bis zum Jahr 2030 zumindest zwei oder drei Staaten des Westbalkans in die EU aufzunehmen." Wichtig sei, den Bürgern der Region jetzt schon konkrete Integrationsschritte anzubieten, etwa durch eine vorgezogene Teilnahme am EU-Binnenmarkt.

Besorgt zeigte sich Fajon über die Lage in Serbien. "Ich glaube nicht, dass die Proteste einfach so aufhören werden", forderte sie die Regierung in Belgrad zu einem pro-europäischen Kurs auf. "Der Ball liegt im Feld Serbiens", pochte Fajon insbesondere darauf, dass Serbien seine Außen- und Verteidigungspolitik mit jener der Europäischen Union in Einklang bringe.

Fajon verurteilte auch die sezessionistischen Tendenzen in der bosnischen Serbenrepublik, die "ein großes Hindernis" auf dem Weg Bosnien-Herzegowinas in die EU seien. "Wir würden uns gemeinsame Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union wünschen, weil das am wirksamsten wäre", sagte sie auf die Frage nach den jüngst von Deutschland und Österreich im Alleingang verhängten Einreiseverboten gegen den Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik. Zumindest mit Slowenien hatten sich die beiden Staaten im Vorfeld nicht beraten, bestätigte Fajon. "Ich habe aus den Medien davon erfahren."

Slowenien will Österreich bei UNO-Sicherheitsrat helfen

"Mit Freude" will Fajon die slowenischen Erfahrungen im UNO-Sicherheitsrat mit ihrer österreichischen Amtskollegin teilen. Slowenien gehört dem mächtigsten UNO-Gremium derzeit an, während sich Österreich für einen Sitz ab dem Jahr 2027 bewirbt. Mit Deutschland und Portugal hat die Alpenrepublik dabei starke Konkurrenz, und auch Fajon will sich nicht festlegen. "Wir sind unseren Nachbarländern immer zugetan, den Portugiesen und Deutschen aber auch", sagte sie auf eine entsprechende Frage.

Die nicht-ständigen Mitglieder werden von der UNO-Generalversammlung gewählt, wobei die Staaten des globalen Südens ein vergleichsweise großes Stimmgewicht haben. Bei ihren Reisen habe sie oft Kritik gehört, dass Europa mit zweierlei Maß messe, wenn es um den Ukraine- und Gaza-Konflikt gehe. "Das verstehen unsere Partner in der Welt nicht", so Fajon. Slowenien habe sich diesbezüglich immer ans Prinzip gehalten, dass das Völkerrecht für alle gleich gelte. "Nicht zuletzt hat sich das auch bei unserer Entscheidung gezeigt, Palästina als souveränen Staat anzuerkennen." Diese Entscheidung sei während des Gaza-Krieges gereift, "als es keine Hoffnung mehr auf einen dauerhaften und gerechten Frieden gab" und maßgebliche Akteure in der Regierung nicht mehr über eine Zwei-Staaten-Lösung verhandeln wollten. Dass sich die Lage seit der Anerkennung Palästinas im Vorjahr weiter verschlechtert habe, bestätige die Richtigkeit der Entscheidung, so Fajon.

UNO-Mandat für Mission in der Ukraine

Ein UNO-Mandat wünscht sich Fajon für eine Friedenssicherungsmission in der Ukraine. In diesem Fall wäre Slowenien bereit, eine Beteiligung zu erwägen. Angesprochen auf die jüngsten Aussagen von US-Präsident Donald Trump, wonach die ukrainische Halbinsel Krim russisch sei, betonte sie: "Einer Veränderung international anerkannter Grenzen mit Gewalt und Waffen stimmen wir nicht zu." Zwar unterstütze Ljubljana die Friedensbemühungen Washingtons, doch müsse eine Lösung vor allem für die Ukraine akzeptabel sein. Es brauche nämlich einen Frieden, "der sicherstellt, dass sich so etwas (wie die russische Aggression gegenüber der Ukraine, Anm.) nicht wiederholt".

(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)

Zusammenfassung
  • Slowenien hofft, dass die Steiermark auf die Pläne zur Verankerung des umstrittenen Dachsteinlieds in der Landesverfassung verzichtet, da es als Territorialforderung interpretiert werden könnte.
  • Die slowenische Außenministerin Tanja Fajon betont die Notwendigkeit guter nachbarschaftlicher Beziehungen und kritisiert die Pläne als unvorteilhaft in einem angespannten geopolitischen Umfeld.
  • Fajon äußert konkrete Erwartungen an die Stärkung der Volksgruppenrechte in Österreich, insbesondere im Hinblick auf den 70. Jahrestag des Staatsvertrags.
  • In der Westbalkan-Politik sieht Fajon eine Übereinstimmung mit Österreich und unterstützt die Anerkennung von Palästina als souveränen Staat.
  • Slowenien ist bereit, sich an einer Friedenssicherungsmission in der Ukraine zu beteiligen, falls ein UNO-Mandat vorliegt, und möchte seine Erfahrungen im UNO-Sicherheitsrat mit Österreich teilen.