Kritik an Wiener Linien: Alte Schienen, zu wenig Personal
Ferienfahrpläne auch außerhalb der Ferien, längere Wartezeiten, Intervallausdehnungen und Überlastungen hatten so manche Kundinnen und Kunden in den vergangenen Monaten verärgert. Die Wiener ÖVP hat das zum Anlass genommen, beim Stadtrechnungshof um eine Prüfung der Wiener Linien anzusuchen.
Die Wiener Linien selbst hatten immer wieder Personalmangel als Grund für die Einschränkungen genannt. Doch der Personalmangel sei, so stellte der Rechnungshof fest, keineswegs nur ein singuläres Problem des Öffi-Unternehmens. Der Stadt-RH verwies auf die generelle demografische Entwicklung.
Pensionierungen
Unumwunden wird im Bericht klargestellt: "Der Stadt-RH Wien hielt (...) fest, dass die Altersgruppe der '50plus-Jährigen' zum Zeitpunkt der gegenständlichen Prüfung einen großen Anteil der Unternehmensbelegschaft darstellte. Dies würde in den kommenden zehn Jahren aufgrund von Pensionsabgängen zu einem hohen Arbeitskräftebedarf führen."
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Tatsächlich haben die Wiener Linien selbst das Problem immer wieder angesprochen. Man geht davon aus, dass der zusätzliche Personalbedarf bis 2031 etwa 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Fachbereichen betragen wird. "Bei einem Personalstand von rund 8.700 Mitarbeitenden Ende des Jahres 2022 entspräche dies rund 80 Prozent neu einzustellendem Personal", warnt der Stadtrechnungshof.
Kündigungen
Jedoch: Nicht wenige Mitarbeiter kündigen selbst - oft erst nach kurzer Zeit im Unternehmen. "Die Entwicklung der Abgänge aufgrund von Austritten verzeichnete einen hohen Anstieg im Betrachtungszeitraum und war für den Stadt-RH Wien eine wesentliche Ursache für den Personalmangel", heißt es.
Den Wiener Linien wurde dringend nahegelegt, gemäß dem prognostizierten Bedarf zeitgerecht Maßnahmen zur Rekrutierung des erforderlichen Personals zu setzen. Wobei auch auf bereits getroffene Maßnahmen - etwa die Aufstockung der Gehälter - verwiesen wurde. Diese zeitigen offenbar durchaus Erfolg.
"Im Bereich Straßenbahn hatten sich die Neuaufnahmen verdreifacht. Vor allem in den Jahren 2020 bis 2022 war ein deutlicher Anstieg der Neuaufnahmen im Fahrdienst erkennbar", wird im Bericht konstatiert. Aber auch hier folgt umgehend die Einschränkung: "Davon unabhängig lag der Personalstand zum Stand Juni 2023 auf dem niedrigsten Niveau im gesamten Betrachtungszeitraum. Dies war letztlich auf die hohe Austrittsquote im Unternehmen zurückzuführen."
Zwischen 2018 und 2022 wurde ein 58-prozentiger Anstieg bei Auflösungen im Fahrbetrieb registriert. Vor allem Jüngere können offenbar schwer gehalten werden. Manche verabschieden sich gleich nach Abschluss der Ausbildung. Sie gehen unter anderem, weil sie einen neuen Job gefunden haben - oder ihnen die Arbeitszeiten nicht passen, wie Befragungen ergeben haben.
Längere Intervalle "gerechtfertigt"
Die zwischenzeitliche Ausdünnung von Intervallen wird als berechtigte Maßnahme beurteilt: "Auch wenn Personalrekrutierungs- und Ausbildungsmaßnahmen bei der Wiener Linien GmbH & Co KG zeitnah umgesetzt wurden, beanspruchten sie Zeit. Bis das Fahrpersonal umgeschult bzw. neu eingestellt und ausgebildet war, brauchte es in der Regel mehrere Monate. Daher erschien (...) die Ausdehnung der Intervalle als temporäre Maßnahme (...) gerechtfertigt, um die Auswirkungen des Personalmangels abzufedern und den Druck von der vorhandenen Belegschaft zu nehmen."
Alte Schienen
Dass Wienerinnen und Wiener in den vergangenen Jahren manchmal etwas weniger flott ans Ziel gekommen sind, liegt jedoch auch an Mängeln im Schienennetz. "Im Zeitraum der Jahre 2017 bis 2023 verdreifachte sich die Anzahl der Langsamfahrstellen der Straßenbahn von 49 auf 147. Insgesamt erhöhte sich die Strecke der Langsamfahrstellen im Gleisnetz (...) in diesem Zeitraum um etwas mehr als 5,5 Kilometer", so die Bilanz der Prüfer.
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Als Grund für die abschnittsweise Einbremsung wurde in den meisten Fällen der Schienenzustand eingetragen. Der Stadt-RH empfahl, die Gleiserneuerungsrate zu erhöhen - und auch das dafür vorgesehene Budget.
Die Wiener Linien halten hier laut Prüfung nicht einmal die selbst vorgegebenen Ziele ein. Präventivmaßnahmen sollten ebenfalls gesetzt werden, urgierten die Prüfer. Als präventive Maßnahme wurde das "Schienenschleifen" genannt. Dies solle eine Unbenutzbarkeit der Gleise aufgrund von Überalterung verhindern. Auch bei der U-Bahn, wo es ebenfalls Abschnitte gibt, die mit weniger Speed bewältigt werden müssen, wurden Maßnahmen empfohlen.
Opposition schäumt
Die ÖVP sah in einer Reaktion einen "vernichtenden Befund". Eine Überalterung des Sachanlagevermögens, verschärfter Personalmangel oder auch eine Verschlechterung des Betriebsergebnisses würden zeigen, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, befanden Verkehrssprecherin Elisabeth Olischar und Finanzsprecher Manfred Juraczka. "Beim Management der Wiener Linien, aber auch den politisch Verantwortlichen in der Wiener Stadtregierung, müssen angesichts dieses Berichts alle Alarmglocken schrillen", meinten die beiden VP-Mandatare. Die Attraktivität der Wiener Linien müsse verbessert werden, nämlich "für die Mitarbeiter, die Kunden und letztlich die Steuerzahler."
Grünen-Chefin Judith Pühringer verlangte weitere Maßnahmen, um einen neuerlichen Personalengpass zu verhindern. Nötig sei etwa die Einführung einer generellen 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ein höheres Einstiegsgehalt sowie bessere Arbeitsbedingungen. Auch Verbesserungen beim Straßenbahnnetz urgierte sie. Hier würden die Wiener Linien hinterherhinken: "Das ist angesichts übervoller Bim-Garnituren und langer Wartezeiten inakzeptabel."
Für FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik sind die Wiener Linien längst zu einem "Sinnbild für das Versagen der rot-pinken Stadtregierung" geworden. Verspätungen, kaputte Infrastruktur, veraltete Garnituren und "viel zu lange Intervalle" seien nicht nur ein Ärgernis für die Fahrgäste, sondern ein massiver Rückschritt für die Mobilität in unserer Stadt", hielt er in einer Aussendung fest.
Wiener Linien haben Maßnahmen ergriffen
Die Wiener Linien verwiesen in einer Stellungnahme unter anderem auf ihr Programm zur Attraktivierung des Fahrdienstes. Mit diesem sei es gelungen, den Personalstand nachhaltig zu erhöhen, beteuerte man: "Dabei haben die Wiener Linien die Schichten neu geplant, die Löhne erhöht und die Ausbildung neugestaltet." Mittelfristig würden auch die Arbeitszeiten reduziert.
Betreffenden Bim-Schnelligkeit wurde hervorgehoben, dass sich die Empfehlungen des Stadtrechnungshofs durch die Gleissanierungsoffensive "Netz erst Recht" bereits in Umsetzung befänden.
Neue Piktogramme sollen für Klarheit sorgen
Zusammenfassung
- Der Wiener Stadtrechnungshof kritisiert die Wiener Linien wegen eines erheblichen Personalmangels und veralteter Infrastruktur.
- Bis 2031 wird ein zusätzlicher Bedarf von etwa 7.000 Mitarbeitenden erwartet, was 80% des derzeitigen Personals entspricht.
- Die Anzahl der Langsamfahrstellen im Straßenbahnnetz hat sich von 49 im Jahr 2017 auf 147 im Jahr 2023 verdreifacht.
- Die ÖVP fordert dringende Maßnahmen, während die Grünen eine 35-Stunden-Woche und bessere Arbeitsbedingungen verlangen.
- Die Wiener Linien haben bereits Maßnahmen zur Personalgewinnung und Gehaltserhöhungen eingeleitet, um die Situation zu verbessern.